Chronik 1933.03-II

Weltchronik der zweiten Dekade des März 1933

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	11.03.1933
siehe Fußnote	Deutsches Reich Die nationalsozialistische Regierung des Deutschen Reiches schafft die demokratische deutsche Fahne Schwarz-Rot-Gold ab und setzt die alte Flagge des Kaiserreiches wieder ein. Neben dieser Flagge wird als zweite offizielle Flagge die Hakenkreuzfahne eingeführt; dies soll die deutsche Vergangenheit und Tradition, mit dem Parteisymbol des Nationalsozialismus, der sich als Wiedergeburt der Deutschen Nation zu propagieren versucht, verdeutlichen. In Baden wird nach dem am Vortag erfolgten Rücktritt der Regierung von Joseph Schmitt (ZENTRUM) eine geschäftsführende Regierung unter Leitung des am 8. März als Reichskommissar eingesetzten Robert Wagner (NSDAP) gebildet. Zu der Regierung gehören ZENTRUM, DVP und WP. Noch am gleichen Tag wandelt Wagner die geschäftsführende Regierung in eine ordentliche Regierung um. In Madgeburg wird die Bundesgeschäftsstelle des "Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold" besetzt. Der Magdeburger Oberbürgermeister Ernst Reuter (SPD) wird von der Polizei in "Schutzhaft" genommen. Die Verwaltung des "Verbandes der Bergbau-Industriearbeiter Deutschlands (Alter Verband)" in Bochum wird von der nationalsozialistischen "Sturmabteilung" SA und der "Hilfspolizei" verwüstet. Der Gewerkschaftsvorsitzende Fritz Husemann und über 50 Funktionäre werden verhaftet.
	Vereinigte Staaten von Amerika (USA) Das Luftschiff MACON wird in Akron, Ohio, getauft und soll im April seine erste Fahrt absolvieren.

	12.03.1933
siehe Fußnote	Deutsches Reich Am Volkstrauertag wehen an den öffentlichen Gebäuden im Deutschen Reich die schwarz-weiß-roten Fahnen. Reichspräsident Paul von Hindenburg lässt die Hakenkreuzfahne neben Schwarz-Weiß-Rot als zweite Nationalflagge zu. In Preußen finden Kommunalwahlen und Wahlen zu den Preußischen Provinziallandtagen statt. Bei den Stadtverordnetenwahlen in Berlin erhalten die NSDAP und die Kampffront Schwarz-Weiß-Rot (DNVP und Stahlhelm) zusammen 113 von 225 Sitzen. In einem Vorort Dresdens halten 60 Delegierte der Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP) eine Konferenz ab und beschließen, die SAP illegal weiterzuführen. Von den 15.600 Mitgliedern sind nur etwa 1500 dem Aufruf des Vorstandes vom 3. März zum Eintritt in die SAP gefolgt. Friedrich Völtzer (* 1895 Altona, seit 1931 NSDAP-Mitglied) wird zum Reichskommissar für Lübeck ernannt.
	Schweizerische Eidgenossenschaft / Königreich Belgien In Zürcher Hardturmstadion trennen sich die Fußball-Nationalmannschaften der Schweiz und Belgiens vor 25.000 Zuschauern mit 3:3 Toren.
	Vereinigte Staaten von Amerika (USA) US-Präsident Franklin D. Roosevelt wendet sich zum ersten Mal in seiner Eigenschaft als Präsident in der ersten seiner "Gespräche am Kamin" an die Nation.

	13.03.1933
siehe Fußnote	Deutsches Reich Bekanntgabe eines Erlasses über die Errichtung des "Ministeriums für Volksaufklärung und Propaganda" unter Joseph Goebbels (NSDAP). Das RMVP ist im nationalsozialistischen Deutschen Reich für die inhaltliche Lenkung der Presse, der Literatur, der Bildenden Kunst, des Films, des Theaters, der Musik und des Rundfunks zuständig.
siehe Fußnote 70px	Deutsches Reich / Provinz Hessen-Nassau Der Hessische Landtag wählt das NSDAP-Mitglied Ferdinand Werner zum Nachfolger des Geschäftsführenden Regierungschefs Bernhard Adelung von der SPD zum Präsidenten des Landes. Anschließend vertagt sich das hessische Landesparlament bis zum 1. Oktober und überträgt sämtliche Vollmachten der Regierung. Bei der Kommunalwahl in Frankfurt am Main erzielt die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) 47,9 Prozent der Stimmen; damit fehlt ihr lediglich ein Sitz zur absoluten Mehrheit im Stadtparlament. Der jüdische Oberbürgermeister Ludwig Landmann wird vom NSDAP-Mitglied Friedrich Krebs abgelöst werden. In Kreisen der Nationalsozialisten wird die Stadt Frankfurt wegen ihren hohen jüdischen Bevölkerungsanteils als "Jerusalem am Main" bezeichnet. Der Intendant der Städtischen Oper Berlin, Carl Ebert, wird von der nationalsozialistischen "Sturmabteilung" SA für abgesetzt erklärt und vom Berliner Oberbürgermeister Heinrich Sahm daraufhin für zwei Monate beurlaubt. Sein Nachfolger wird Max von Schillings, der Präsident der Preußischen Akademie der Künste ist.
	Vereinigte Staaten von Amerika (USA) Der am 5. März von US-Präsident Franklin D. Roosevelt ausgerufene "Bankfeiertag" endet heute.

14.03.1933

siehe Fußnote

Deutsches Reich Das heute auslaufende Verbot der SPD-Presse in Preußen wird um weitere 14 Tage verlängert. Es wird damit gerechnet, dass das Verbot anschließend auch weiterhin Bestand haben wird. Aufgrund der Verfolgung ihrer Funktionäre sehen sich die KPD und die SPD außerstande, weiter an Landtagssitzungen in Braunschweig teilzunehmen. Das Erscheinen der linksdemokratischen Zeitschriften "Die Weltbühne", derzeit von Carl von Ossietzky herausgegeben, sowie "Das Tage-Buch" werden für ein halbes Jahr verboten. Im Namen der Sektion für Dichtung der Preußischen Akademie der Künste fragt Akademiepräsident Max von Schillings bei den 31 Mitgliedern an, ob sie der neuen Regierung ihre Treue erklären. Von den Befragten lehnen unter anderen Alfons Paquet, Ricarda Huch, Thomas Mann und Alfred Döblin ab.

	15.03.1933
siehe Fußnote	Deutsches Reich Der Landtag von Württemberg wählt mit 36 von 68 Stimmen bei 19 ungültigen Wahlzetteln den NSDAP-Gauleiter Wilhelm Murr zum Staatspräsidenten. Der SPD-Parteivorstand sagt den für den 26. März nach Frankfurt am Main einberufenen Parteitag ab. In seiner letzten Sitzung wählt der 4. Landtag Württembergs - ohne die verhafteten oder untergetauchten KPD-Abgeordneten - Wilhelm Murr (NSDAP) zum neuen Ministerpräsidenten, der eine NSDAP/DNVP-Regierung bildet. Das Reichsinnenministeriums weist die Länderregierungen an, die Zuwanderung von Ostjuden abzuwehren Ostjuden, die sich ohne Aufenthaltserlaubnis in Deutschland befinden, zu entfernen Ostjuden nicht mehr einzubürgern
	Großherzogtum Luxemburg "Radio Luxembourg" beginnt mit einer Serie von Testsendungen auf 251,7 kHz. Die Station sendet jeden Abend von 19.00 bis 23.00 Uhr jeweils für ein anderes Land. Die Ansagen werden in der jeweiligen Landessprache gehalten. Das Sendeschema des 200 kW-Senders sieht wie folgt aus: montags italienisch, dienstags belgisch, mittwochs Letzeburgisch, donnerstags deutsch, freitags niederländisch, samstags französisch und sonntags englisch. Das Programm besteht vorwiegend aus populärer Tanzmusik, unterbrochen durch Nachrichten und Wetterberichte.
	Vereinigte Staaten von Amerika (USA) Der Dow Jones Industrial Average steigt von 53,84 auf 62,10 Punkte. Der Tagesgewinn von 15,34 Prozent, der in der Zeit der Großen Depression erzielt wurde, ist bis zum 21. Jahrhundert der größte prozentuale Tagesgewinn des Index'.

	16.03.1933
siehe Fußnote	Deutsches Reich Reichsbankpräsidetn Hans Luther tritt zurück. Die Deutsche Reichsbank wählt Hjalmar Schacht erneut zum Reichsbank-Präsidenten und damit zu Luthers Nachfolger. Der vor drei Tagern ernannte Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda Joseph Goebbels übernimmt die Kompetenz über den Rundfunk im Deutschen Reich. In Bayern legt Ministerpräsident Herinrich Held von der Bayerischen Volkspartei sein Amt nieder. Reichskommissar Franz Ritter von Epp übernimmt unverzüglich dessen Amt. In Bremen erfolgt nach dem Rücktritt der drei SPD-Senatoren vor zehn Tagen der Rücktritt des Rumpf-Senats.
	Republik Österreich Friedrich Schmiedl Bei Graz zwischen Sankt Martin und dem Grazer Feld wird der letzte Schmiedl-Raketenpostdienst durchgeführt. Die zweistufige Rakete des österreichischen Raketenpioniers Friedrich Schmiedl, die 379 Briefe befördert, eine Distanz von fünf Kilometern zurücklegt und 2,5 Kilometer maximaler Flughöhe, wird zum letzten Mal eingesetzt; der erste Start fand im Februar 1931 statt. Schmiedl verfolgte bisher den Traum, Postraketen zwischen Wien und Budapest und zwischen Graz und Budapest sowie zur logistischen Unterstützung von Oasen in Nordafrika einzusetzen.
siehe Fußnote	Schweizerische Eidgenossenschaft / Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland / Französische Republik / Republik Polen / Königreich Italien / Deutsches Reich Im Hauptausschuss der Abrüstungskonferenz in Genf legt der britische Premierminister James Ramsey MacDonald einen Abrüstungsplan mit Höchstgrenzen für die Armeen in Europa vor, die für das Deutsche Reich, Frankreich, Polen und Italien jeweils 200.000 Mann betragen.

17.03.1933

siehe Fußnote

Deutsches Reich Nach der Erschießung eines Polizeibeamten durch einen SPD-Landtagsabgeordneten in Freiburg werden alle badischen Abgeordneten der SPD und KPD in "Schutzhaft" genommen. Bei der Eröffnung der Ausstellung "Die Frau" in Berlin erklärt Reichspropagandaminister Joseph Goebbels, der erste Platz der Frau sei in der Familie. In Berlin schließt die Polizei das Gebäude des Freidenkerverbandes. In Freiburg in Baden erschießt der Landtagsabgeordnete der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Christian Nussbaum in der Annahme einer Notwehrsituation zwei Polizeibeamte, die seine Wohnung durchsuchen wollen. Reichskommissar Wagner (NSDAP) ordnet daraufhin für alle Landtags- und Reichstagsabgeordnete von SPD und KPD "Schutzhaft" an. In Breslau wird die Zahl der dort zugelassenen jüdischen Rechtsanwälte auf 17 reduziert. Der Staatskommissar für Berlin, Julius Lippert (NSDAP), gibt die Anweisung, in den Krankenhäusern für die schnellstmögliche Entlassung aller jüdischen Ärzte zu sorgen.

	18.03.1933
siehe Fußnote	Deutsches Reich Die Berliner Stadtverwaltung ordnet an, daß jüdische Anwälte und Notare nicht mehr für die Stadt tätig sein dürfen. In Bremen wird ein Senat aus NSDAP und der "Kampffront Schwarz-Weiß-Rot" (DNVP und Stahlhelm) gebildet. Reichskommissar Richard Markert (NSDAP) wird Bürgermeister von Bremen. Markert wurde 1891 in Elsterwerda in Brandenburg geboren.
	Staat Portugal / Kolonie Mosambik Der Radio-Klub von Mosambik nimmt einen Rundfunksender in Betrieb.
	Schweizerische Eidgenossenschaft / Peruvianische Republik / Republik Kolumbien In Genf endet die am 21. Februar eröffnete 71. außerordentliche Tagung des Völkerbundrates. Er empfiehlt die Räumung der 1932 von Peru besetzten Stadt Leticia in Kolumbien.

	19.03.1933
siehe Fußnote	Schweizerische Eidgenossenschaft / Deutsches Reich In Zürich verurteilt die Exekutive der Sozialistischen Arbeiter-Internationale ohne Beteiligung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) scharf die Unterdrückung der deutschen Opposition.
	Staat Portugal Das Referendum über eine neue, von Ministerpräsident Antonió de Oliveira Salazar ausgearbeitete autoritäre Verfassung, wird von der Bevölkerung angenommen.
siehe Fußnote	Französische Republik / Deutsches Reich Ein Freundschafts-Fußballspiel der Nationalmannschaften von Deutschland und Frankreich in Berlin geht 3:3 aus; der Halbzeitstand ist 2:1.
siehe Fußnote	Vereinigte Staaten von Amerika (USA) / Deutsches Reich Die Organisation der jüdischen Kriegsteilnehmer in den USA kündigt einen Boykott gegen Deutschland an.

	20.03.1933
siehe Fußnote	Deutsches Reich In Dachau bei München wird auf Anordnung Heinrich Himmlers (als kommissarischer Polizeipräsident von Münschen) das erste Konzentrationslager unter Aufsicht von Polizei und SA zur Internierung von politischen Gegnern der Nationalsozialisten eingerichtet. Es sollen dort nach kurzer Zeit 5000 Gefangene untergebracht werden. Es werden dort zunächst in erster Linie Mitglieder und Funktionäre der Arbeiterparteien eingesperrt und schwer mißhandelt. Bis auf weiteres ist das Lager in Dachau ein Freiluftgefängnis, das zunächst hauptsächlich für die vielen bereits verhafteten und noch festzunehmenden Kommunisten und Sozialdemokraten bestimmt sei. In das Konzentrationslager Heuberg in Württemberg werden Hunderte Funktionäre von KPD und SPD verbracht. Es ist für 1500 Gefangene ausgelegt und steht unter Aufsicht der Landeskriminalpolizei. Ein für heute vorgesehenes Konzert des Dirigenten Bruno Walter in der Berliner Philharmonie wird auf Einspruch von Reichspropagandaminister Joseph Goebbels abgesagt. Es sollte das vierte Konzert des jüdischen Dirigenten mit den Philharmonikern werden, jedoch drohten die neuen Machthaber, dass sie den Saal kurz und klein schlagen würden, falls Walter das Podium betreten sollte. Walter, der eigentlich Bruno Walter Schlesinger (* 1876 in Berlin) heißt, plant eine Emigration nach Österreich.
siehe Fußnote	Schweizerische Eidgenossenschaft / Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland / Französische Republik / Königreich Italien / Deutsches Reich Der britische Premierminister James Ramsey MacDonald und Außenminister John Allsebrook Simon beenden einen dreitägigen Besuch in Rom. Gegenstand der Beratungen war der Abschluß eines Viererpaktes zur Entspannung in Europa.

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