31.12.1979 - Begegnung mit dem französischen Flughafenkommandanten

Aus Oteripedia
Zur Navigation springen Zur Suche springen

[zurück]

GESCHICHTE TAG FÜR TAG

Logo Kalender.JPG

31.12.1979 - Begegnung mit dem französischen Flughafenkommandanten

Silvesternacht in Tegel – Begegnung mit dem französischen Flughafenkommandanten


Meine Lieblingsnachtdienste als Wetterbeobachter waren die Nächte am 31. Dezember. Fernab vom Silvestertreiben Dienst auf einem meist verschneiten Feld zu machen, war einfach etwas Besonderes. Es war so schön, dass ich diesen Dienst über 40 Mal in meiner Karriere absolvieren durfte. Als ich das erste Mal einen solchen Dienst in Tegel übernahm – es muss 1979 gewesen sein – sagte der Kollege, den ich abends ablöste: „Na, viel Spaß dann mit dem Flughafenkommandanten!“ Ich verstand nicht sofort, was er meinte, und wurde aufgeklärt: „Zu Silvester kommt immer der französische Flughafenkommandant mit einer Flasche Sekt vorbei!“ Ich glaubte ihm nicht.

Etwa gegen halb zehn fuhr dann ein schwerer Citroën vor. Ein Mann mit Offiziersmütze stieg aus, der Fahrer blieb im Fahrzeug. Nach einem Klopfen trat ein Mann mit einem freundlichen Lächeln und einem „Bonsoir“ ein und stellte sich als der Flughafenkommandant vor.

Ich hatte mir vorher überlegt, was ich wohl sagen würde, aber trotzdem ging die Kommunikation erstmal schleppend. Ich wollte auf keinen Fall einen Eklat wegen Kommunikationslosigkeit und antwortete: „Bonsoir, Monsieur le Commandant“ und weiter auf Französisch: „Ich freue mich sehr über Ihren Besuch.“ Monsieur war verdutzt, jemanden hier zu treffen, mit dem er Französisch sprechen konnte, und fragte, ob das hier der „Deutsche“ Wetterdienst sei. Ich bejahte und stellte mich vor.

Plötzlich holte mein Gast zwei Gläser und eine Flasche Sekt hervor, die er bereits draußen entkorkt hatte. Ich war überrascht und bedankte mich, sagte ihm aber, dass ich keinen Alkohol trinke. Monsieur le Commandant schien zunächst enttäuscht und sagte: „Ich trinke eigentlich auch nicht. Aber es ist der beste Sekt, den die Französische Luftwaffe hat, und die Flasche ist schon mal auf – vielleicht nur einen ganz kleinen Schluck?“

Ich merkte, dass es Situationen gibt, in denen man seine eigenen Befindlichkeiten zurückstellen muss. Er goss die Gläser tatsächlich nur ganz wenig ein, hob sein Glas an und sagte: „Auf die Freundschaft!“ Ich wiederholte den Spruch und nippte nur an dem Glas – genauso wie er. Vielleicht trank er wirklich normalerweise nicht, oder er dachte an die vielen Leute, mit denen er heute noch anstoßen musste. Aber wir beide erlebten in diesem Moment ein Umdenken. Der Sekt war nämlich wirklich sehr gut – vielleicht das Beste, was ich jemals getrunken habe. Er hatte einen Geschmack nach Muskat. Monsieur hatte den gleichen Eindruck und erklärte: „Also, ich trinke noch einen Schluck.“ Ich tat es ihm gleich.

Er sagte den einzigen deutschen Satz, den er für dieses Treffen wohl gelernt hatte: „Isch danke Ihnen für Ihren Dienst auf dem Aéropor(t) (h)eute Nacht.“ Und ich antwortete auf Französisch: „Und ich danke Ihnen für Ihren Dienst für unsere Stadt und für Ihre Freundschaft.“ Der Offizier salutierte vor mir, dem 21 Jahre alten Zivilisten, nickte mir zu, machte kehrt und ließ die Flasche und die Gläser zurück. Für mich war es ein denkwürdiges Ereignis. Erst viel später wurde mir klar, dass es ein europäisches Ereignis gewesen ist.

Der Text darf unter Nennung der www-Seite und des Namens des Autors "Hellmut Hentschel" weiter veröffentlicht werden.

[zurück]