17.03.1900 - Ein journalistisches Experiment in Kansas

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17.03.1900 - Ein journalistisches Experiment in Kansas

Topeka Daily Capital.jpg


Am 17. März 1900 endete in Topeka, Kansas, ein journalistisches Experiment, das in seiner Radikalität bis heute nachhallt. Fünf Tage lang hatte der Prediger Charles Monroe Sheldon die Redaktion der Topeka Daily Capital übernommen - mit dem Anspruch, die Zeitung so zu führen, wie Jesus es getan hätte. Keine Gewalt, keine Skandale, keine Werbung für Alkohol oder Tabak. Stattdessen: Mitgefühl, Hoffnung, soziale Verantwortung.

Die letzte Ausgabe erschien am Samstagabend, damit selbst die Zeitungsboten rechtzeitig zum Sonntag zu Hause sein konnten. Sheldon schrieb: „Die Menschheit kann genauso glücklich, nützlich und kraftvoll sein, wenn sie nicht alle 24 Stunden die Nachrichten über Kriege, Sport und Gesellschaft erfährt.“

Was bleibt von dieser Woche? Die Auflage stieg von 12.000 auf über 350.000 - ein Beweis, dass Menschen bereit sind, anders zu lesen, wenn man ihnen anders begegnet. Sheldon spendete seine Einnahmen an Hilfsprojekte, unter anderem für die Hungersnot in Indien. Doch das Experiment wurde nicht fortgeführt. Die Konkurrenzzeitung profitierte, Werbekunden wanderten ab, und ein Jahr später war die Daily Capital bankrott.

Aber vielleicht war das gar nicht das Ziel. Vielleicht ging es nie um Dauer, sondern um Störung - eine kurze, heilsame Irritation im Strom der Gewohnheiten. Sheldon zeigte, dass Journalismus nicht nur berichten, sondern auch verantworten kann. Dass eine Zeitung nicht nur Spiegel, sondern auch Fenster sein darf.

Am 17. März 1900 wurde keine neue Medienära eingeläutet. Aber ein Gedanke wurde gesetzt: Dass Wahrheit nicht nur in der Härte liegt, sondern auch in der Güte. Dass Nachrichten nicht nur informieren, sondern auch formen. Und dass ein Prediger für fünf Tage mehr bewegen kann als ein Verlag in fünf Jahren.

Vielleicht ist das Wort zum Tag nicht nur ein Zitat, sondern ein stiller Auftrag: Schreibe, als würde jemand lesen, der noch glaubt.


Der Text darf unter Nennung der www-Seite und des Namens des Autors "Hellmut Hentschel" weiter veröffentlicht werden.

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