Chronik 1914.01
Januar 1914
| Hier geht es zu den Ereignissen der Monate des Jahres 1914 | Januar / Februar / März / April / Mai / Juni / Juli / August / September / Oktober / November / Dezember |
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Der Berliner Ullstein-Verlag übernimmt die auflagenstarke liberale "Vossische Zeitung". | |
| Schweizerische Eidgenossenschaft Datei:Arthur Hoffmann.png Der neue Schweizer Bundespräsident Arthur Hoffmann | |
| Osmanisches Reich Sultan Mehmed V. ernennt den 32 Jahre alten Generalleutnant Ismail Enver Pascha zum Kriegsminister des Osmanischen Reichs. Er wurde als Kind eines türkischen Eisenbahnarbeiters und seiner albanischen Mutter Ayşe Dilara geboren und wuchs in einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater achtete auf eine gute schulische Erziehung. Während seiner Schüler- und Studentenzeit kam er mit bürgerlich-revolutionären Ideen in Berührung und nahm 1897 als Mitglied der jungtürkischen Bewegung an den gescheiterten Studentenprotesten gegen die Regierung unter Sultan Abdülhamid II. teil. Um die Jahrhundertwende gewannen die intellektuell geprägten Jungtürken zunehmend Einfluss auf das türkische Offizierskorps. Enver, der die Offizierslaufbahn eingeschlagen hatte, sollte später neben Cemal und Talaat in den Führungszirkel des Komitees für Einheit und Fortschritt (Ittihad ve Terakki Fırkası) aufsteigen. Die grundlegende Voraussetzung dafür war seine wichtige Rolle in der Jungtürkischen Revolution von 1908. In der von seiner Garnison in Thessaloniki ausgehenden Militärrevolte übernahm der junge Hauptmann Enver Bey die militärische Führung. Am 24. Juli 1908 musste Abdülhamid II. die liberale Verfassung des Großwesirs Midhat Pascha von 1876 wieder in Kraft setzen, die Zensur aufheben, eine Amnestie erlassen und reaktionäre Regierungsmitglieder entlassen. Gegen die Machtübernahme der Jungtürken unternahmen reaktionäre Kräfte am 13. April 1909 einen Putschversuch, den revolutionäre Truppen nach drei Tagen niederschlugen. Danach entthronten die Jungtürken Sultan Abdülhamid II. und ersetzten ihn durch dessen machtlosen Bruder Mehmed V., der Verfassungstreue schwor. Der junge, aufstrebende Ismail Enver stand damals noch in der zweiten Reihe der Jungtürkischen Bewegung. Er setzte sich gegen probritische und profranzösische Kräfte für ein Militärbündnis mit dem Deutschen Kaiserreich ein und amtierte folgerichtig von 1909 bis 1911 als Militärattaché an der osmanischen Botschaft in Berlin. Dort entwickelte er maßgeblich die engen deutsch-türkischen Bündnisbeziehungen und sorgte persönlich dafür, dass deutsche Offiziere höchste Funktionen in der türkischen Armee einnahmen. Mit Hilfe preußisch-deutscher Militärberater und moderner deutscher Waffen wollte er das zurückgebliebene osmanische Militärwesen reformieren, um drohenden Angriffen durch Italien in der Cyrenaika und im Dodekanes und britischen Expansionsgelüsten nach Palästina, Syrien, Arabien und Mesopotamien begegnen zu können. Diese Militärpolitik vergiftete die Beziehungen zur Weltmacht Großbritannien, die durch die Konzession an die Deutsche Bank zum Bau der Bagdadbahn schon länger belastet waren. Anlässlich des italienisch-türkischen Kriegs verließ Ismail Enver 1911 Berlin, konnte jedoch als türkischer Oberbefehlshaber den Verlust Libyens nicht verhindern. Mit den Niederlagen in Nordafrika und im Dodekanes, der politischen Verfolgung oppositioneller Kräfte im Inland und Gewaltakten gegen Bürger, die nicht türkischer Nationalität waren, verspielten die Jungtürken für kurze Zeit ihre politische Macht. Im Juli 1912 wurden sie von der probritischen „liberalen“ Partei Freiheit und Einheit gestürzt. Die neue Regierung geriet jedoch durch den im Oktober 1912 beginnenden Ersten Balkankrieg, der zu katastrophalen Niederlagen und großen Gebietsverlusten führte, und die politische Spaltung des Offizierskorps ihrerseits in die Krise. Schon im Januar 1913 erfolgte unter maßgeblicher Führung Envers ein erfolgreicher Militärputsch der Jungtürken, der jedoch weitere militärische Niederlagen auf dem Balkan nicht verhinderte. Die neue jungtürkische Regierung unter Führung des Großwesirs Mahmud Şevket Pascha war im Frühjahr 1913 zum verlustreichen Friedensschluss von London gezwungen. Das Osmanische Reich verlor die gesamten europäischen Gebiete einschließlich Adrianopels. Wenig später zerstritten sich jedoch die siegreichen Balkanstaaten untereinander über die Aufteilung der Beute. Das isolierte Bulgarien kämpfte im Zweiten Balkankrieg allein gegen ein neues Bündnis aus Serbien, Griechenland und Rumänien und unterlag dieser Übermacht. Enver erkannte die einmalige Chance, einen kleinen Teil des verlorenen Gebiets zurückzugewinnen, griff als türkischer Oberbefehlshaber seinerseits Bulgarien an und konnte Adrianopel zurückerobern. Dadurch wurde er in der öffentlichen Meinung der Osmanen zum Kriegshelden, was ihm nun das Amt des Kriegsministers in der neuen jungtürkischen Regierung sicherte. Enver Pascha plant zunächst die Säuberung des Offizierskorps durch massenhafte Zwangspensionierungen von Kritikern der Jungtürken. | |
| Vereinigte Staaten von Amerika Auf einer Pressekonferenz kündigt der US-amerikanische Industrielle Henry Ford die Einführung des Achtstundentages zum 12. Januar und einen Mindestlohn von 5 US-Dollar pro Tag an. | |
| Portugiesische Republik Die Regierung unter Ministerpräsident Afonso Augusto da Costa in Portugal tritt nach genau einem Jahr im Amt zurück. Staatspräsident Manuel José de Arriaga holt den in Brasilien weilenden früheren Außenminister Bernardino Machado nach Portugal zurück und beauftragt ihn mit der Regierungsbildung. | |
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Oberst Adolf von Reuter und Leutnant Günter Freiherr von Forstner, die Hauptverantwortlichen in der sogenannten Zabern-Affäre, werden freigesprochen. Der örtliche Regimentskommandeur von Zabern im Elsaß hatte am 28. November 1913 ohne Absprache mit der Zivilverwaltung eine friedlich protestierende Menschenmenge sowie viele zufällig anwesende Passanten willkürlich festgenommen. Über die Stadt war der Belagerungszustand verhängt worden, bewaffnete Militärangehörige in den Straßen patrouilliert. Der 20 Jahre alte Leutnant von Forstner hatte am 28. November in der Stadt Zabern (später Saverne) vor Rekruten eine Prämie für jeden niedergestochenen "Wackes" (ein Schimpfwort für die elsassische Bevölkerung) in Aussicht gestellt. Regionale Zeitungen im seit 1871 vom Deutschen Kaiserreich annektierten Elsaß-Lothringen machten den Vorfall publik. Forstner selbst schlug am 2. Dezember angeblich aus Notwehr einen Schustergesellen, der ihn verhöhnt hatte, mit dem Säbel nieder. Kronprinz Wilhelm kommentierte die Vorfälle in einem Telegramm mit den Worten "Immer feste druff!". Als der Wortlaut dieses Telegramms an die Öffentlichkeit gelangte, wurden zahlreiche elsässische Postbeamte wegen angeblicher Indiskretion versetzt. Diese Vorfälle schürten die Proteste innerhalb der elsässischen und in Teilen der deutschen Bevölkerung. Im Reichstag löste die Kritik am Vorgehen des Militärs heftige Debatten aus. Am 4. Dezember sprach der Reichstag mit den Stimmen des Zentrums, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), der Nationalliberalen und der Fortschrittlichen Volkspartei mit 293 gegen 54 Stimmen ein Misstrauensvotum gegen Reichskanzler Theobald von Bethmann-Hollweg aus, der die Vorfälle in Zabern heruntergespielt und dem Militär den Vorrang vor der Zivilverwaltung gegeben hatte. Da der Reichskanzler jedoch allein vom Vertrauen des Kaisers abhängig war und nur von diesem entlassen werden konnte, hatte das Misstrauensvotum keine politischen Konsequenzen. Die Proteste im Deutschen Reich gegen das Vorgehen des Militärs hielten bis in das neue Jahr an, verebbten nach dem Prozess gegen Forstner jedoch allmählich. In dem Prozess, der am 5. Januar 1914 begonnen hatte, wurde Forstner, der wegen Körperverletzung und unrechtmäßigem Waffengebrauch angeklagt war, in zweiter Instanz auf Grundlage einer preußischen Order von 1820 freigesprochen. Die Order gestand dem Militär ein Selbsthilferecht bei Störung der Ordnung zu, sollte die Zivilverwaltung nicht willens oder in der Lage sein, die Ordnung wiederherzustellen. Die Schuld für die Vorfälle in Zabern lag laut dem Gericht bei der Zivilverwaltung, die dort für Ordnung hätte sorgen müssen. Das Urteil ruft einen neuen Konflikt über die Rechtslage im Deutschen Reich hervor. Im Reichstag und in der Öffentlichkeit wird heftig über das Verhältnis von ziviler und militärischer Gewalt gestritten. | |
| Vereinigte Staaten von Amerika Der US-amerikanische Industrielle Henry Ford lässt die Produktion des Automobils Ford Modell T auf Fließbandfertigung umstellen, was eine Senkung des Verkaufspreises für das Kraftfahrzeug ermöglicht. | |
| Vereinigte Staaten von Amerika US-Präsident Woodrow Wilson verkündet eine Antitrustpolitik zur Eindämmung der wirtschaftlichen Macht von Konzernen. | |
| Japanisches Kaiserreich / Deutsches Kaiserreich Über die Nachrichtenagentur Reuters gelangt eine Nachricht nach Japan, dass der Stenotypist der Niederlassung von Siemens Karl Richter wegen Diebstahls von belastenden Papieren und der versuchten Erpressung seines Arbeitgebers in Deutschland zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Die Mitteilung lässt erkennen, dass Siemens-Mitarbeiter japanische Marineoffiziere bestochen hatten. | |
| Fürstentum Albanien Unter dem Druck der Internationalen Kontrollkommission für das Fürstentum Albanien tritt die provisorische Regierung unter dem Ministerpräsidenten Ismail Qemali zurück, nachdem die Großmächte den deutschen Prinzen Wilhelm zu Wied zum Fürsten von Albanien ernannten. | |
| Japanisches Kaiserreich / Deutsches Kaiserreich Am Morgen berichtet die japanische Zeitung Asahi Shimbun erstmals Details über den Siemens-Skandal, einen Bestechungsskandal, in den hochrangige japanische Marineoffiziere verwickelt sind. In Deutschland wird das bekannt als "Simens-Zwischenfall" oder als "Siemens-Schuckert-Affäre" und ist einer der spektakulärsten Skandale der Meiji- und Taisho-Zeit in der japanischen Politik. Er umfasst geheime Rüstungsabsprachen zwischen hochrangigen Mitgliedern der Kaiserlich Japanischen Marine und den europäischen Industriekonzernen Siemens und Vickers. Die Kaiserlich Japanische Marine rüstete massiv auf und importierte dafür moderne Kriegsschiffe und Waffen aus Europa. Durch ein Bestechungsgeld von 15 Prozent an die für die Ausschreibung Verantwortlichen in der Marine sicherte sich Siemens praktisch ein Monopol auf Rüstungsverträge bezüglich Elektroausrüstungen. Die britische Firma Vickers hatte über die Firma Mitsui Bussan als Mittler der japanischen Marine ein lukrativeres Geschäft angeboten, mit einem Bestechungsgeld von 25 Prozent und 40.000 Yen für den früheren Leiter der für Kriegsschiffe verantwortlichen Hauptabteilung Kansei Hombu Vizeadmiral Matsumoto Kazu, um den Auftrag für den Bau des Schlachtkreuzers Kongo zu erhalten. Als der deutsche Hauptsitz von Siemens 1911 von diesem Geschäft erfuhr, wurde ein Telegramm mit der Bitte um Klarstellung an die Niederlassung in Tokio gesandt. Der Stenotypist der Niederlassung Karl Richter stahl belastende Dokumente, die bezeugten, dass Siemens ein Bestechungsgeld von 1.000 Pfund Sterling an die Marine gezahlt hatte, verkaufte diese 1914 zusammen mit einer Kopie des Telegramms an die Nachrichtenagentur Reuters und floh nach Deutschland, wo er verhaftet wurde. Die Angelegenheit des mutmaßlichen Korruptionsskandals wird von Mitgliedern der Partei Rikken Doshikai vor das japanische Parlament gebracht und die Geheimdienste der Armee und der Marine sowie die Kempeitai (Militärpolizei) beginnen nun mit Untersuchungen. Die Japan Weekly Chronicle berichtet, dass Konteradmiral Fujii Mitsugoro, Leiter der 4. Abteilung (Schiffbau) der Kansei Hombu, gestanden hatte, 1911 und 1912 210.000 Yen von Vickers entgegengenommen zu haben, und erinnerte ihre Leser daran, dass dies – unabhängig davon, ob dies nach japanischem Gesetz legal war oder nicht – auf jeden Fall illegal sei nach dem British Corrupt Practices Act von 1906. | |
| Königreich Griechenland Die Großmächte fordern Griechenland auf, auf Basis des Londoner Vertrages seine Truppen aus Nordepirus abzuziehen. Als Druckmittel dient dabei die Drohung, dass andernfalls die griechischen Forderungen auf Lesbos, Chios und Samos nicht anerkannt würden. | |
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| Quellen | Staatsarchiv.at Deutsches Historisches Museum Chronik 1914 |