Deutsches Kaiserreich 1918-IV: Unterschied zwischen den Versionen
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Bei Sonnenaufgang hissen die Matrosen der deutschen Kriegsschiffe, die in Kiel vor Anker liegen, nicht die Kriegs-, sondern die rote Flagge. Nur auf der SMS KÖNIG hat der Kommandant bereits die Kriegsflagge hissen lassen, die er gemeinsam mit zwei Offizieren mit Waffengewalt verteidigt. Erst nachdem die drei schwer verwundet sind, wird auch auf diesem Schiff die rote Fahne gesetzt. Ein Matrose und die Offiziere sterben, der Kommandant überlebt. Die SMS SCHLESIEN setzt die Kriegsflagge und flieht aus dem Kieler Hafen nach Flensburg. Dort verlassen die Matrosen und die Heizer das Schiff, das der Seekriegsleitung (SKL) unterstellt wird; anschließend fährt das Schiff über Marstal in Richtung Swinemünde. Etwa 200 Seekadetten werden als Heizer eingesetzt. Die Arbeiter in Kiel treten in einen Generalstreik. In den frühen Morgenstunden wird ein Arbeiterrat unter dem Vorsitz von Gustav Garbe, dem Vorsitzenden des Kieler Gewerkschaftskartells, der Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ist, gebildet. Der Rat kontrolliert ab 10 Uhr die Stadtverwaltung, deren Spitzen nicht ausgewechselt werden, sondern Beigeordnete aus dem Arbeiterrat erhalten. Nur das Ernährungsamt wird direkt vom Arbeiterrat übernommen. Die Matrosen befürchten nach wie vor Gegenstöße des Militärs. Den Offizieren werden Rangabzeichen und Waffen abgenommen. Die Matrosen haben den Eindruck, dass Offiziere an verschiedenen Stellen aus Häuserfenstern auf sie schießen. Immer wieder kommt es zu Schießereien der Patrouillen. Diese fordern zehn Tote und 21 Verletzte. Stadtkommandant Heine wird von einer Patrouille erschossen, als er sich seiner Festnahme widersetzt. Der Soldatenrat untersagt die "selbstständige Patrouillengestellung" der Matrosen. Um 13 Uhr wird Gustav Noske auf einer Versammlung auf dem Wilhelmplatz zum vorläufigen Vorsitzenden des Soldatenrates gewählt, den er nach eigener Darstellung anschließend auf einer Vertrauensleuteversammlung selbst zusammenstellt. Die Seekriegsleitung in Berlin wartet die Entscheidung des Kabinetts nicht ab und schickt ein Telegramm an das Kommando der Hochseestreitkräfte, in dem sie vorgeblich im Einvernehmen mit der Regierung befiehlt: "Jeder Widerstand ist sofort zu brechen, das IX. Armeekorps soll Kiel zu Lande und das Hochseekommando zur Seeseite absperren." Am frühen Abend trifft Haußmann wieder in Berlin ein. Im Kabinett setzt er sich für die Forderungen der Matrosen ein und betont, dass „die Sache“ nur durch die Sozialdemokraten und Gewerkschaften „gehalten werden“ könne. Der Staatsekretär des Reichsmarineamtes, Ritter von Mann, und der preußische Kriegsminister, Generalmajor Heinrich Scheuch (gesprochen: Sché-uch) sprechen sich dagegen für härteste Maßnahmen und ein Abriegeln Kiels aus, um ein Exempel zu statuieren. Die Entscheidung wird vertagt. Admiral Reinhard Scheer schlägt dem Kaiser vor, dass Admiral Ludwig von Schröder den Kieler Gouverneur Wilhelm Souchon ersetzen und an der Spitze einer Brigade nach Kiel verlegt werden solle. Der Kaiser ist einverstanden und erlässt ohne Rücksprache mit der Regierung die entsprechenden Befehle. Abends flieht Prinz Heinrich, der Bruder Kaiser Wilhelms II., aus Kiel, eine rote Fahne am Auto. Abends telefoniert der frisch gewählte Vorsitzende des Kieler Arbeiterrates Gustav Noske mit Vizekanzler Friedrich von Payer und warnt vor Gewalt. Die 40.000 Mann in Kiel könnten nicht überwältigt werden und der Versuch würde jede Verständigung unmöglich machen. In einem weiteren Gespräch mit Ritter von Mann wiederholt Gustav Noske die Forderungen nach Amnestie für die Matrosen und den Rücktritt oder die Abdankung des Kaisers. <br> | Bei Sonnenaufgang hissen die Matrosen der deutschen Kriegsschiffe, die in Kiel vor Anker liegen, nicht die Kriegs-, sondern die rote Flagge. Nur auf der SMS KÖNIG hat der Kommandant bereits die Kriegsflagge hissen lassen, die er gemeinsam mit zwei Offizieren mit Waffengewalt verteidigt. Erst nachdem die drei schwer verwundet sind, wird auch auf diesem Schiff die rote Fahne gesetzt. Ein Matrose und die Offiziere sterben, der Kommandant überlebt. Die SMS SCHLESIEN setzt die Kriegsflagge und flieht aus dem Kieler Hafen nach Flensburg. Dort verlassen die Matrosen und die Heizer das Schiff, das der Seekriegsleitung (SKL) unterstellt wird; anschließend fährt das Schiff über Marstal in Richtung Swinemünde. Etwa 200 Seekadetten werden als Heizer eingesetzt. Die Arbeiter in Kiel treten in einen Generalstreik. In den frühen Morgenstunden wird ein Arbeiterrat unter dem Vorsitz von Gustav Garbe, dem Vorsitzenden des Kieler Gewerkschaftskartells, der Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ist, gebildet. Der Rat kontrolliert ab 10 Uhr die Stadtverwaltung, deren Spitzen nicht ausgewechselt werden, sondern Beigeordnete aus dem Arbeiterrat erhalten. Nur das Ernährungsamt wird direkt vom Arbeiterrat übernommen. Die Matrosen befürchten nach wie vor Gegenstöße des Militärs. Den Offizieren werden Rangabzeichen und Waffen abgenommen. Die Matrosen haben den Eindruck, dass Offiziere an verschiedenen Stellen aus Häuserfenstern auf sie schießen. Immer wieder kommt es zu Schießereien der Patrouillen. Diese fordern zehn Tote und 21 Verletzte. Stadtkommandant Heine wird von einer Patrouille erschossen, als er sich seiner Festnahme widersetzt. Der Soldatenrat untersagt die "selbstständige Patrouillengestellung" der Matrosen. Um 13 Uhr wird Gustav Noske auf einer Versammlung auf dem Wilhelmplatz zum vorläufigen Vorsitzenden des Soldatenrates gewählt, den er nach eigener Darstellung anschließend auf einer Vertrauensleuteversammlung selbst zusammenstellt. Die Seekriegsleitung in Berlin wartet die Entscheidung des Kabinetts nicht ab und schickt ein Telegramm an das Kommando der Hochseestreitkräfte, in dem sie vorgeblich im Einvernehmen mit der Regierung befiehlt: "Jeder Widerstand ist sofort zu brechen, das IX. Armeekorps soll Kiel zu Lande und das Hochseekommando zur Seeseite absperren." Am frühen Abend trifft Haußmann wieder in Berlin ein. Im Kabinett setzt er sich für die Forderungen der Matrosen ein und betont, dass „die Sache“ nur durch die Sozialdemokraten und Gewerkschaften „gehalten werden“ könne. Der Staatsekretär des Reichsmarineamtes, Ritter von Mann, und der preußische Kriegsminister, Generalmajor Heinrich Scheuch (gesprochen: Sché-uch) sprechen sich dagegen für härteste Maßnahmen und ein Abriegeln Kiels aus, um ein Exempel zu statuieren. Die Entscheidung wird vertagt. Admiral Reinhard Scheer schlägt dem Kaiser vor, dass Admiral Ludwig von Schröder den Kieler Gouverneur Wilhelm Souchon ersetzen und an der Spitze einer Brigade nach Kiel verlegt werden solle. Der Kaiser ist einverstanden und erlässt ohne Rücksprache mit der Regierung die entsprechenden Befehle. Abends flieht Prinz Heinrich, der Bruder Kaiser Wilhelms II., aus Kiel, eine rote Fahne am Auto. Abends telefoniert der frisch gewählte Vorsitzende des Kieler Arbeiterrates Gustav Noske mit Vizekanzler Friedrich von Payer und warnt vor Gewalt. Die 40.000 Mann in Kiel könnten nicht überwältigt werden und der Versuch würde jede Verständigung unmöglich machen. In einem weiteren Gespräch mit Ritter von Mann wiederholt Gustav Noske die Forderungen nach Amnestie für die Matrosen und den Rücktritt oder die Abdankung des Kaisers. <br> | ||
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| + | Die ersten revoltierenden Matrosen treffen, von Kiel kommend, in Hamburg ein. Soldaten und Arbeiter rufen den Generalstreik aus. Matrosen besetzen den Hauptbahnhof, den Elbtunnel, Kasernen und Kriegsschiffe. Der Politiker der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) Wilhelm Dittmann ruft in einer Großkundgebung zur Errichtung einer "Sozialistischen Republik" aus. Soldaten und Matrosen übernehmen die militärische Kontrolle über die Stadt. Es wird ein "Provisorischer Arbeiter- und Soldatenrat Hamburg" gegründet. <br> | ||
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| <center>'''[[Chronik 11.1918|06.11.1918]]''' <br> [[Datei:Deutsches Reich.gif|50px]] [[Datei:Preußen 1863-1918.gif|50px]] </center> || '''[[Deutsches Kaiserreich]] / [[Königreich Preußen]]''' <br> | | <center>'''[[Chronik 11.1918|06.11.1918]]''' <br> [[Datei:Deutsches Reich.gif|50px]] [[Datei:Preußen 1863-1918.gif|50px]] </center> || '''[[Deutsches Kaiserreich]] / [[Königreich Preußen]]''' <br> | ||
* Der gewählte Vorsitzende des Kieler Arbeiterrates Gustav Noske von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), dessen Aufgabe es eigentlich war, zwischen Regierung und Streikenden zu vermitteln, versucht auf einer großen Versammlung die Vertreter der Matrosen zum Abbruch des Aufstandes zu überreden. Die Führer des Aufstandes in Kiel lehnen das entsprechende Angebot der Berliner Reichsregierung ab. Auf Initiative Lothar Popps werden in allen Einheiten Vertrauensleute gewählt. Diese wählen den Großen Soldatenrat und der wiederum den Obersten Soldatenrat. Popp und Noske werden zu gleichberechtigten Vorsitzenden des Obersten Soldatenrats gewählt. Das Kabinett in Berlin nimmt den Vorschlag Haußmanns einstimmig an, da auch in anderen Küstenstädten Unruhen auszubrechen drohen, zu deren Niederwerfung Truppen aus Altona angefordert wurden, die dem ursprünglichen Befehl zufolge in Kiel eingesetzt werden sollten. Die Seekriegsleitung (SKL) bestätigt dagegen die Befehle vom Vortag. Die Reichsregierung lehnt die von Kaiser Wilhelm II. ohne Absprache mit ihr ausgesprochene Kommandierung von Admiral Ludwig von Schröder nach Kiel entschieden ab. Admiral Reinhard Scheer empfiehlt dem Kaiser die Rücknahme des Befehls, da auch er einsehen muss, dass mit militärischer Gewalt nichts mehr zu erreichen ist. Der Kaiser stimmt zu. | * Der gewählte Vorsitzende des Kieler Arbeiterrates Gustav Noske von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), dessen Aufgabe es eigentlich war, zwischen Regierung und Streikenden zu vermitteln, versucht auf einer großen Versammlung die Vertreter der Matrosen zum Abbruch des Aufstandes zu überreden. Die Führer des Aufstandes in Kiel lehnen das entsprechende Angebot der Berliner Reichsregierung ab. Auf Initiative Lothar Popps werden in allen Einheiten Vertrauensleute gewählt. Diese wählen den Großen Soldatenrat und der wiederum den Obersten Soldatenrat. Popp und Noske werden zu gleichberechtigten Vorsitzenden des Obersten Soldatenrats gewählt. Das Kabinett in Berlin nimmt den Vorschlag Haußmanns einstimmig an, da auch in anderen Küstenstädten Unruhen auszubrechen drohen, zu deren Niederwerfung Truppen aus Altona angefordert wurden, die dem ursprünglichen Befehl zufolge in Kiel eingesetzt werden sollten. Die Seekriegsleitung (SKL) bestätigt dagegen die Befehle vom Vortag. Die Reichsregierung lehnt die von Kaiser Wilhelm II. ohne Absprache mit ihr ausgesprochene Kommandierung von Admiral Ludwig von Schröder nach Kiel entschieden ab. Admiral Reinhard Scheer empfiehlt dem Kaiser die Rücknahme des Befehls, da auch er einsehen muss, dass mit militärischer Gewalt nichts mehr zu erreichen ist. Der Kaiser stimmt zu. | ||
* In Wilhelmshaven bildet sich ein Arbeiter- und Soldatenrat und übernimmt die Macht. | * In Wilhelmshaven bildet sich ein Arbeiter- und Soldatenrat und übernimmt die Macht. | ||
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| + | Die Volksvertretung Hamburgs ("Bürgerschaft") beschließt die Einrichtung eines Landesarbeitsamtes. <br> | ||
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| <center> [[Datei:Deutsches Reich.gif|50px]] [[Datei:Sachsen-Coburg 1826-1918.gif|50px]] </center> || '''[[Deutsches Reich]] / [[Land Thüringen|Herzogtum Sachsen-Altenburg]]''' <br> | | <center> [[Datei:Deutsches Reich.gif|50px]] [[Datei:Sachsen-Coburg 1826-1918.gif|50px]] </center> || '''[[Deutsches Reich]] / [[Land Thüringen|Herzogtum Sachsen-Altenburg]]''' <br> | ||
Der am Vortag im Herzogtum Sachsen-Altenburg gebildete Soldatenrat wird mit dem Arbeiterrat zusammengeschlossen. Der Vorsitzende des vereinigten Rates ist August Frölich von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). <br> | Der am Vortag im Herzogtum Sachsen-Altenburg gebildete Soldatenrat wird mit dem Arbeiterrat zusammengeschlossen. Der Vorsitzende des vereinigten Rates ist August Frölich von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). <br> | ||
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| + | In Hamburg wird ein "Großer Arbeiterrat" gegründet. Er besteht aus jeweils drei Vertretern der Linksradikalen, der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und Gewerkschaften sowie 18 Vertretern von Betrieben. <br> | ||
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| style="color:blue;background-color:#eeffcc | <center>'''[[Chronik 11.1918|09.11.1918]]''' <br> [[Datei:Deutsches Reich.gif|50px]] </center> || style="color:blue;background-color:#eeffcc | '''[[Deutsches Kaiserreich]] / [[Deutsches Reich]]''' <br> | | style="color:blue;background-color:#eeffcc | <center>'''[[Chronik 11.1918|09.11.1918]]''' <br> [[Datei:Deutsches Reich.gif|50px]] </center> || style="color:blue;background-color:#eeffcc | '''[[Deutsches Kaiserreich]] / [[Deutsches Reich]]''' <br> | ||
Version vom 30. März 2017, 05:57 Uhr
DEUTSCHES KAISERREICH
Hauptstadt: Berlin
Chronik des Jahres 1918
IV. Quartal 1918 (bis 9. November 1918)
Waffenstillstandsverhandlungen beginnen
Reichskanzler Max von Baden gibt die Abdankung Kaiser Wilhelms II. bekannt
Reichskanzler Max von Baden übergibt die Regierungsgewalt an Friedrich Ebert
| Hauptseite | |||
| Jahres-Chroniken | |||
| Länderchroniken | |||
| frühere Chroniken Deutschlands | ||||
| 1908 - 1909 - 1910 - 1911 - 1912 - 1913 - 1914 - 1915 - 1916 - 1917 | ||||
| I. Quartal - II. Quartal - III. Quartal - IV. Quartal | ||||
| Deutsches Kaiserreich Die Oberste Heeresleitung (OHL) fordert von der Reichsregierung ein sofortiges Waffenstillstandsangebot an die Entente. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Bayern / Königreich Belgien / Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland / Französische Republik / Dominion Kanada / Vereinigte Staaten von Amerika Die Oberste Heeresleitung des Deutschen Kaiserreiches gibt folgende Meldung heraus: "Heftige Angriffe des Feindes in Flandern, beiderseits von Cambrai und in der Champagne wurden abgewiesen." Die Heeresgruppe Böhn meldet vom Kriegsschauplatz nördlich von St. Quentin in Frankreich: "Beiderseits von Le Catelet nahm der Feind am Nachmittag seine Angriffe zwischen Vendhuille und Joncourt wieder auf. Auch südlich von Joncourt und südlich der Somme entwickelten sich am Abend heftige Kämpfe. Angriffe des Feindes wurden überall abgewiesen." Die Heeresgruppe Deutscher Kronprinz meldet aus Frankreich: "Gegen unsere Linien zwischen Aisne und Vesle und über die Vesle zwischen Breuil und Corchery richtete der Franzose heftige Angriffe. Trotz mehrmaligen Ansturms sind sie bis auf einen Teilerfolg, der den Feind auf die Höhen nördlich von Breuil führte, gescheitert. In der Champagne beschränkte sich der Feind auf Teilangriffe östlich der Suippes, gegen St. Marie-a-Py, nördlich von Somme-Py und gegen unsere neuen Linien, die wir in der Nacht nördlich von Aure und Marvaux bezogen hatten. Sie wurden abgewiesen; bei St. Marie-à-Py nahmen wir hierbei zwei französische Kompagnien gefangen. Mit stärkeren Kräften griff der Amerikaner östlich der Argonnen an, Brennpunkte des Kampfes waren Apremont und der Wald von Montrebeau. Wir schlugen den Feind überall zurück. Er erlitt auch gestern wieder besonders schwere Verluste." Die Heeresgruppe Gallwitz meldet: "Auf dem westlichen Maasufer blieb die Gefechtstätigkeit auf Störungsfeuer beschränkt." Der Bericht des Ersten Generalquartiermeisters General Erich Ludendorff schließt ab: "Infanterie, Pioniere und Artillerie haben an der Vernichtung zahlreicher Panzerwagen gleichen Anteil. In den letzten Kämpfen taten sich hierbei besonders hervor die Leutnants Suhling und Baumeister vom Reserve-Infanterie-Regiment 90, die Vizefeldwebel Volkmann vom Garde-Reserve-Schützen-Bataillon und Rauguth vom Reserve -Infanterie -Regiment 27, die Leutnants Keibel vom Feldartillerie-Regiment 40, Schrepler vom Feldartillerie-Regiment 74, Ribbelt vom Feldartillerie-Regiment 108, Mayer und Bräuer vom Reserve-Feldartillerie-Regiment 241, Benninghaus vom Reserve-Feldartillerie-Regiment 63 und Unteroffizier Thele vom Feldartillerie-Regiment 40." | ||||
| Deutsches Kaiserreich Die deutsche Führung der Marine plant, von Wilhelmshaven aus einen Flottenvorstoß gegen England durchführen. Urheber des Plans sind Kapitän z.S. Magnus von Levetzow (Chef des Stabes in der Seekriegsleitung) und Konteradmiral Adolf von Trotha (Chef des Stabes bei der Hochseeflotte). Trotha schreibt: "Der Flotte steht ein solcher Schlusskampf als höchstes Ziel vor Augen ... auch wenn er ein Todeskampf wird ... (daraus) wird ... eine neue deutsche Zukunftsflotte hervorwachsen; einer durch schmachvollen Frieden gefesselten Flotte ist die Zukunft gebrochen." Erst später wird der Schutz der flandrischen Küste als Begründung für den Vorstoß nachgeschoben werden. | ||||
| Deutsches Kaiserreich Durch kaiserlichen Erlass wird das Reichsarbeitsamt eingerichtet, eine Reichsbehörde, die ihren Sitz in der Berliner Luisenstraße nimmt. Der Aufgabenbereich des Reichsarbeitsamtes umfasst die Belange der Sozialpolitik, beispielsweise die Arbeitsmarktverhältnisse, die Sozialversicherung, der Arbeitsschutz und die Wohlfahrtseinrichtungen, die vorher beim ein Jahr zuvor gegründeten Reichswirtschaftsamt lagen. Ihm steht ein Staatssekretär vor, der dem Reichskanzler Prinz Max von Baden - unterstellt ist. Zum Leiter der Behörde wird das Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Gustav Bauer berufen. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Die deutsche Marineführung beabsichtigt eine Entscheidungsschlacht mit der britischen Grand Fleet im Ärmelkanal herbeizuführen. Nach dem Befehl, das Auslaufen der Hochseeflotte vorzubereiten, brechen in den deutschen Marinebasen zunächst vereinzelte Meutereien, später dann ein weitreichender Matrosenaufstand aus. Schon nach den ersten Meutereien wurden die Schlachtpläne fallengelassen. Ausgangspunkt des Befehls ist der Notenwechsel der neuen deutschen Regierung unter Max von Baden mit US-Präsident Woodrow Wilson. Der Reichskanzler bat um Vermittlung eines Waffenstillstands. Die Einstellung des U-Boot-Krieges am 20. Oktober war eine der Bedingungen Wilsons, um die Vermittlung mit Frankreich zu beginnen. Durch die Einstellung des gegen Handelsschiffe gerichteten U-Boot-Krieges wurden jedoch sowohl die U-Boote als auch die großen Schiffe, die bisher Eskortaufgaben übernommen hatten, frei für andere Unternehmungen. Die U-Boote wurden dann vor den britischen Stützpunkten stationiert. Bis heute wurde ein Plan ausgearbeitet, eine Entscheidungsschlacht gegen die Royal Navy im Ärmelkanal zu suchen. Da die Grand Fleet ihre Stützpunkte in Schottland hat, hätte sie einen zweitägigen Anmarschweg, der durch U-Boote, Luftschiffe und Minensperren gefährdet wäre. Die Hochseeflotte soll in einer schnellen nächtlichen Aktion unbemerkt gegen die flandrische Küste und die Themsemündung vorstoßen. Dort soll dann eine Entscheidung gegen die vorher geschwächte Grand Fleet herbeigeführt werden. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Der Kaiser des Deutschen Reichs, Wilhelm II., überträgt durch die „Gesetze zur Abänderung der Reichsverfassung“ dem Reichstag bedeutende Machtbefugnisse. Der Reichstag beschließt daraufhin das "Gesetz zur Parlamentarisierung". Die Regierung ist nun vom Vertrauen des Reichstags abhängig. Die Artikel des Gesetzes:
Für den Satz "Der Reichskanzler bedarf zu seiner Amtsführung des Vertrauens des Reichstages" haben Sozialdemokraten, Zentrum und Liberale teilweise seit Jahrzehnten gekämpft. Zum ersten Mal in Deutschland wird verfassungsmäßig festgelegt, dass der Regierungschef die Unterstützung der Mehrheit im Parlament bedarf. Bis jetzt hatten Preußens Ministerpräsidenten und Deutschlands Kanzler stets nur des Vertrauens des jeweiligen Monarchen bedurft. Zwar verfügten der preußische Landtag seit 1848 und der Reichstag ab 1871 über die Budgethoheit. Doch der Einfluss auf die aktuelle Politik war begrenzt. Freiwillig räumten Kaiser Wilhelm II. und seine konservativen Unterstützer diesen Umsturz der Machtverhältnisse nicht ein. Es ist der unmittelbar bevorstehende Zusammenbruch der Westfront, die den starken Mann der Obersten Heeresleitung, General Erich Ludendorff, am 29. September 1918 zu einer überraschenden Wende bewegte. Nachdem der Weltkrieg militärisch nicht mehr zu gewinnen war, forderte Ludendorff einen Waffenstillstand auf Grundlage der "14 Punkte" des US-Präsidenten Woodrow Wilson. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Angesichts der geplanten Großoffensive der Reichsflotte entsteht eine Meuterei unter den Matrosen der Hochseeflotte in Wilhelmshaven. Daraufhin meutern die Besatzungen der in Kiel liegenden deutschen Hochseeflotte. Die kriegsmüden Matrosen beurteilen die bevorstehende Schlacht sowohl als sinnloses Opfer ihres eigenen Lebens als auch in der politischen Tragweite auf das Waffenstillstandsgesuch und damit das baldige Kriegsende. Die Grand Fleet ist hoch überlegen und für die Rettung einer militärischen Ehre, die nur dem Offizierskorps zugänglich wäre, wollen die Matrosen nicht sterben. Andererseits sehen sie sich auch als Verteidiger der parlamentarischen Regierung und wollen verhindern, dass die Militärführung die Erfolgsaussichten des von der Regierung vorgebrachten Waffenstillstandsgesuchs durch übereiltes Handeln gefährdet. Die Hoffnung auf einen Sieg ist bereits nach dem Scheitern der Offensiven vom Frühjahr 1918 dahin, und der moralische Zusammenbruch der Landstreitkräfte hat auch auf die Matrosen übergegriffen. Ihr Widerstand äußert sich nun im Kieler Matrosenaufstand. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Der Flottenchef verlegt das III. Geschwader nach Kiel. Auf der Fahrt durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal (heute Nord-Ostsee-Kanal) werden 47 vermeintliche Rädelsführer der SMS MARKGRAF verhaftet und von Kiel-Holtenau aus in verschiedene Arrestanstalten in Kiel gebracht. Im Hafen von Kiel treffen in der Nacht zum 1. November Schiffe mit über 5000 Mann Besatzung ein. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Die Besatzungen der in der vergangenen Nacht in den Hafen von Kiel eingelaufenen Schiffe erhalten Landurlaub. Abends treffen sich etwa 250 Matrosen des III. Geschwaders im Gewerkschaftshaus in der Fährstraße (heute Legienstraße). Abordnungen fordern vergeblich die Freilassungen der inhaftierten Kameraden von den Schiffskommandanten. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Bayern Durch ein Abkommen zwischen der Königlichen Staatsregierung Bayerns und allen Landtagsfraktionen wird eine neue Verfassung in Kraft gesetzt, die eine Parlamentarisierung vorsieht und folgende Punkte enthält:
König Ludwig III. stimmt noch am selben Tag der Umwandlung der konstitutionellen in eine parlamentarische Monarchie zu. Es erfolgt eine Regierungsbildung unter Einbeziehung der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands. Der Vorsitzende des Arbeiter- und Soldatenrates Kurt Eisner verkündet in einer Volksversammlung im Münchner Löwenbräukeller: "Es kommt gar nicht mehr zur Reichstagswahl. Vor dem 17. November kommt die Revolution." | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Die Berliner Regierung erhält erstmals Kenntnis über die Vorgänge bei der Marine in Kiel. Dort versammeln sich gegen 19 Uhr etwa 500 bis 600 Matrosen und einige Zivilisten auf dem großen Exerzierplatz im Viehburger Gehölz in Kiel zu einer Demonstration. Der Matrose Karl Artelt (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands - USPD) geht als einziger Redner über die Forderung nach sofortiger Freilassung der Inhaftierten hinaus und ruft zur "Niederkämpfung des Militarismus und Beseitigung der herrschenden Klasse" auf und sucht Verbindung mit Vertrauensmännern seiner Partei. In dieser Nacht werden erste Flugblätter vervielfältigt. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Großherzogtum Baden Das badische Staatsministerium unter Heinrich Freiherr von und zu Bodman von der Nationalliberalen Partei (NLP) kündigt eine Wahlrechtsreform an, die das Ziel hat, die Monarchie in Baden zu retten. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Am Morgen werden weitere 57 Matrosen und Heizer auf der SMS MARKGRAF verhaftet und lassen sich nach Diskussionen mit der Militärpolizei unbewaffnet ins Fort Herwarth abführen. Gegen 10 Uhr beschließen hohe Marineoffiziere im Stationsgebäude der Marine in Kiel, gegen 16 Uhr Stadtalarm zu geben, um Matrosen an der Teilnahme einer für 17 Uhr vorgesehenen Versammlung zu hindern. Der Kieler Gouverneur Wilhelm Souchon sendet einen Lagebericht an das Reichsmarineamt mit der Bitte: "... wenn irgend möglich, hervorragenden sozialdemokratischen Abgeordneten herschicken, um im Sinne der Vermeidung von Revolution und Revolte zu sprechen." Der um 1530 Uhr ausgelöste Stadtalarm bleibt ohne Wirkung bei den Matrosen; gegen 17 Uhr versammeln sich dennoch 5000 bis 6000 Teilnehmer, etwa 80 Prozent der sich in Kiel befindenden Matrosen. Auf dem Exerzierplatz sprechen die Hauptredner Gustav Garbe, Gewerkschaftsvorsitzender und Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD), sowie der Matrose Karl Artelt von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD). Ein Demonstrationszug zur Arrestanstalt setzt sich über Rondeel, Sophienblatt und dem Bahnhof in Bewegung. Eine Frau gerät unter die Straßenbahn und stirbt. Die Menge zieht weiter über die Holstenstraße, den Markt, die Dänische Straße zur Brunswiker Straße. Um 19 Uhr erfolgt ein Zusammenstoß zwischen Demonstranten und einer Patrouille an der Ecke Karlstraße, der sieben Tote und 29 Verletzte fordert, von denen später zwei ebenfalls ihr Leben lassen müssen. Zu diesem Zeitpunkt glauben die amtlichen Stellen noch, Herr der Lage zu sein. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Am Morgen ziehen bewaffnete Matrosen in Kiel von Kaserne zu Kaserne, teils an die Stelle des Zusammenstoßes in der Karlstraße, teils ziellos durch die Stadt. Das III. Geschwader, ohne die SMS KÖNIG, die bereits im Dock liegt, läuft aus nach Travemünde, in der Hoffnung, der Unruheherd könnte so beseitigt werden. Die Mannschaften rühren keine Hand, um die Leinen los zu machen. Dies müssen Fähnriche und Deckoffiziere besorgen. Etwa 1000 Matrosen bleiben an Land zurück. Um 10 Uhr legen Arbeiter der Germaniawerft und in der Torpedoanstalt in Friedrichsort die Arbeit nieder. Im Gewerkschaftshaus findet eine weitere Besprechung statt. Gegen 13 Uhr verweigern Matrosen in einer großen Kasernenanlage im Norden Kiels den Gehorsam: Nach einem Divisionsappell des Kommandeurs bilden sich spontane Demonstrationen. Auf Initiative des Matrosen Karl Artelts von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) bildet sich der erste Soldatenrat. Matrosen, unter ihnen Karl Artelt, übergeben dem Kommandeur sechs Forderungen. Inzwischen gestehen sich der Kieler Stadtkommandant und der Militärpolizeimeister ein, nicht mehr Herr der Lage zu sein. Gouverneur Wilhelm Souchon lässt durchgeben, dass die Wünsche der Truppen ihm unverzüglich zu melden seien. Karl Artelt fährt daraufhin mit anderen Matrosen und einer großen roten Fahne am Auto zum Gouverneur. Gegen 15 Uhr beginnen die Verhandlungen des Gouverneurs mit Matrosen und Vertretern der SPD und USPD. Deren Forderungen werden gegen 17 Uhr allen Marineteilen in Kiel vom Gouverneur mitgeteilt. Nach einem "Triumphzug" von der Wik bis zur Arrestanstalt in der Feldstraße empfangen mehrere tausend Matrosen ihre freigelassenen Kameraden. Hier wird bekannt, dass sich bereits viele weitere Soldatenräte in anderen Städten gebildet haben. Um 1930 Uhr kommen der Abgeordnete der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) Gustav Noske und der Staatssekretär Haußmann am Kieler Hauptbahnhof an. Die ersten von der Reichsregierung entsandten Emissäre machen sich sofort auf den Weg zum Gewerkschaftshaus, wo sich ab 20 Uhr Matrosen und Arbeitervertreter versammeln und einen Soldaten- und Arbeiterrat bilden, der "14 Kieler Punkte" an Forderungen aufstellt. Anschließend findet die erste Verhandlungsrunde zwischen Haußmann, Noske, hohen Offizieren und Matrosen im Stationsgebäude der Marine statt. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Vereinigte Staaten von Amerika / Französische Republik Der US-amerikanische Präsident Woodrow Wilson informiert die Reichsregierung, dass die deutsche Waffenstillstandskommission von General Ferdinand Foch empfangen werde. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen Bei Sonnenaufgang hissen die Matrosen der deutschen Kriegsschiffe, die in Kiel vor Anker liegen, nicht die Kriegs-, sondern die rote Flagge. Nur auf der SMS KÖNIG hat der Kommandant bereits die Kriegsflagge hissen lassen, die er gemeinsam mit zwei Offizieren mit Waffengewalt verteidigt. Erst nachdem die drei schwer verwundet sind, wird auch auf diesem Schiff die rote Fahne gesetzt. Ein Matrose und die Offiziere sterben, der Kommandant überlebt. Die SMS SCHLESIEN setzt die Kriegsflagge und flieht aus dem Kieler Hafen nach Flensburg. Dort verlassen die Matrosen und die Heizer das Schiff, das der Seekriegsleitung (SKL) unterstellt wird; anschließend fährt das Schiff über Marstal in Richtung Swinemünde. Etwa 200 Seekadetten werden als Heizer eingesetzt. Die Arbeiter in Kiel treten in einen Generalstreik. In den frühen Morgenstunden wird ein Arbeiterrat unter dem Vorsitz von Gustav Garbe, dem Vorsitzenden des Kieler Gewerkschaftskartells, der Mitglied der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) ist, gebildet. Der Rat kontrolliert ab 10 Uhr die Stadtverwaltung, deren Spitzen nicht ausgewechselt werden, sondern Beigeordnete aus dem Arbeiterrat erhalten. Nur das Ernährungsamt wird direkt vom Arbeiterrat übernommen. Die Matrosen befürchten nach wie vor Gegenstöße des Militärs. Den Offizieren werden Rangabzeichen und Waffen abgenommen. Die Matrosen haben den Eindruck, dass Offiziere an verschiedenen Stellen aus Häuserfenstern auf sie schießen. Immer wieder kommt es zu Schießereien der Patrouillen. Diese fordern zehn Tote und 21 Verletzte. Stadtkommandant Heine wird von einer Patrouille erschossen, als er sich seiner Festnahme widersetzt. Der Soldatenrat untersagt die "selbstständige Patrouillengestellung" der Matrosen. Um 13 Uhr wird Gustav Noske auf einer Versammlung auf dem Wilhelmplatz zum vorläufigen Vorsitzenden des Soldatenrates gewählt, den er nach eigener Darstellung anschließend auf einer Vertrauensleuteversammlung selbst zusammenstellt. Die Seekriegsleitung in Berlin wartet die Entscheidung des Kabinetts nicht ab und schickt ein Telegramm an das Kommando der Hochseestreitkräfte, in dem sie vorgeblich im Einvernehmen mit der Regierung befiehlt: "Jeder Widerstand ist sofort zu brechen, das IX. Armeekorps soll Kiel zu Lande und das Hochseekommando zur Seeseite absperren." Am frühen Abend trifft Haußmann wieder in Berlin ein. Im Kabinett setzt er sich für die Forderungen der Matrosen ein und betont, dass „die Sache“ nur durch die Sozialdemokraten und Gewerkschaften „gehalten werden“ könne. Der Staatsekretär des Reichsmarineamtes, Ritter von Mann, und der preußische Kriegsminister, Generalmajor Heinrich Scheuch (gesprochen: Sché-uch) sprechen sich dagegen für härteste Maßnahmen und ein Abriegeln Kiels aus, um ein Exempel zu statuieren. Die Entscheidung wird vertagt. Admiral Reinhard Scheer schlägt dem Kaiser vor, dass Admiral Ludwig von Schröder den Kieler Gouverneur Wilhelm Souchon ersetzen und an der Spitze einer Brigade nach Kiel verlegt werden solle. Der Kaiser ist einverstanden und erlässt ohne Rücksprache mit der Regierung die entsprechenden Befehle. Abends flieht Prinz Heinrich, der Bruder Kaiser Wilhelms II., aus Kiel, eine rote Fahne am Auto. Abends telefoniert der frisch gewählte Vorsitzende des Kieler Arbeiterrates Gustav Noske mit Vizekanzler Friedrich von Payer und warnt vor Gewalt. Die 40.000 Mann in Kiel könnten nicht überwältigt werden und der Versuch würde jede Verständigung unmöglich machen. In einem weiteren Gespräch mit Ritter von Mann wiederholt Gustav Noske die Forderungen nach Amnestie für die Matrosen und den Rücktritt oder die Abdankung des Kaisers. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Freie und Hansestadt Hamburg Die ersten revoltierenden Matrosen treffen, von Kiel kommend, in Hamburg ein. Soldaten und Arbeiter rufen den Generalstreik aus. Matrosen besetzen den Hauptbahnhof, den Elbtunnel, Kasernen und Kriegsschiffe. Der Politiker der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) Wilhelm Dittmann ruft in einer Großkundgebung zur Errichtung einer "Sozialistischen Republik" aus. Soldaten und Matrosen übernehmen die militärische Kontrolle über die Stadt. Es wird ein "Provisorischer Arbeiter- und Soldatenrat Hamburg" gegründet. | ||||
Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen
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| Deutsches Kaiserreich / Freie und Hansestadt Hamburg Die Volksvertretung Hamburgs ("Bürgerschaft") beschließt die Einrichtung eines Landesarbeitsamtes. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Freie Hansestadt Bremen In Bremen beginnt eine Militärrevolte. Die meuternden Soldaten bilden einen 230 Mitglieder umfassenden Arbeiter- und Soldatenrat mit Aktionsausschuss und Unterausschüssen. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Königreich Bayern Meuternde Soldate und revolutionäre Arbeiter versammeln sich auf der Münchener Theresienwiese und die Unruhe greift immer weiter um sich. In Stadelheim, dem Münchener Hauptgefängnis, erzwingen Demonstranten mit Gewalt die Haftentlassung der politischen Gefangenen. Während aber in Berlin die beiden konkurrierenden marxistischen Parteien, die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) und (Mehrheits-)Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD), sich voller Misstrauen gegenüberstehen, bahnte sich zwischen den radikalen Unabhängigen und den Mehrheitssozialisten in München schon am 4. November eine rote Einheitsfront an. | ||||
Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen
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| Deutsches Kaiserreich / Königreich Bayern / Österreichisch-Ungarische Monarchie In München verschärft sich die Lage von Stunde zu Stunde. Soldaten, von meuternden Unteroffizieren und unabhängigen Arbeitern angeführt, stürmen den Autopark auf der Theresienwiese und fahren mit den Wagen von Kaserne zu Kaserne. "Der Kaiser muss abdanken!", "Fort mit den Wittelsbachern!" ist ihr Schlachtruf. In der Kaserne "König Max II." können die Aufrührer keinen Anhang gewinnen. Doch die Stadtkommandantur hat ausdrücklich den Befehl erlassen, dass es keinen bewaffneten Kampf geben soll. So wird das Bayerische Kriegsministerium von Meuterern, die Maschinengewehre mit sich führen, besetzt, und mit roten Fahnen ziehen Demonstranten gegen die Residenzwache. Wie alltäglich geht auch heute der 73jährige bayerische König Ludwig III. nachmittags im Englischen Garten spazieren, während sich auf der Theresienwiese wiederum die von den Vereinigten Sozialdemokratischen Parteien aufgerufenen Massen versammeln. Dieses Mal sind es etwa 50.000 Menschen, die die Forderung nach Thronverzicht des Kaisers und des Kronprinzen sowie nach sofortiger Herbeiführung eines Friedens erheben. Ein Unbekannter spricht entsetzt den König an und warnt ihn. Verwirrt kehrt Ludwig III. ins Schloss zurück, in dem er sich schon fast allein befindet. Nur General von Kessel ist noch da, alle königlichen Adjutanten sind verschwunden. Während die Massen mit den Posten vor der Residenz verhandeln, verlässt der König mit seiner Familie heimlich und unbemerkt seine Hauptstadt. Er verlässt Bayern und fährt nach Salzburg, wo er im Schloss Anif vorerst Zuflucht findet. | ||||
| Deutsches Reich / Herzogtum Sachsen-Altenburg Im Herzogtum Sachsen-Altenburg wird ein Soldatenrat gebildet. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Französische Republik In Compiègne bei Paris beginnen die Waffenstillstandsverhandlungen zwischen dem Deutschen Kaiserreich und der Französischen Republik. Die Verhandlungen werden von Marschall Ferdinand Foch auf Seiten der Entente und von Staatssekretär Matthias Erzberger auf Seiten der Regierung des Deutschen Kaiserreiches geführt. | ||||
Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen
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| Deutsches Kaiserreich / Königreich Bayern Der Arbeiter- und Soldatenrat tritt zu einem "provisorischen Nationalrat" zusammen. Die Zusammensetzung des "Ministerium Eisner" ist:
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| Deutsches Kaiserreich / Großherzogtum Baden In den badischen Städten Lahr und Offenburg werden Soldatenräte gegründet. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach Ein zehnköpfiger Arbeiterrat bildet sich im Großherzogtum, dessen Vorsitzender August Baudert von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wird. Der bisherige Staatsminister Rothe tritt zurück und Großherzog Wilhelm Ernst Karl Alexander Friedrich Heinrich Bernhard Albert Georg Hermann von Sachsen-Weimar-Eisenach dankt ab. Die volle Titulatur lautet Seine Königliche Hoheit Wilhelm Ernst, von Gottes Gnaden Großherzog zu Sachsen(-Weimar-Eisenach), Landgraf in Thüringen, Markgraf zu Meissen, gefürsteter Graf zu Henneberg, Herr zu Blankenhayn, Neustadt und Tautenburg. Seine bedeutenden Geldmittel ließ Wilhelm Ernst zu großen Teilen in die Förderung der Kultur fließen. Obwohl der Großherzog als amusisch und „den preußischen Offizier herauskehrend“ beschrieben wurde, schuf er damit das Neue Weimar. Hans Olde, Harry Graf Kessler, Henry van de Velde und Adolf Brütt wurden nach Weimar berufen. Der Großherzog erneuerte die Universität Jena durch Theodor Fischer aus München sowie das Weimarer Theater durch den damals als Erneuerer der Theatertechnik bekannten Max Littmann aus München. Der Verleger Eugen Diederichs zog nach Jena, der Literat Johannes Schlaf nach Weimar. Eine der letzten Amtshandlungen des Großherzogs Wilhelm Ernst zur Zeit der Novemberrevolution 1918 war die Berufung von Walter Gropius. Der Soldatenrat unter Führung des Sozialdemokraten August Baudert zwang den Großherzog am 9. November 1918 zur Abdankung. Baudert hatte Wilhelm Ernst als „meistverhassten“ Fürsten in Deutschland bezeichnet. Wilhelm Ernst erhielt jedoch die Möglichkeit, die Regierungsverantwortung in ihm geeignet erscheinende Hände abzugeben. Noch kurz zuvor waren Weimarer Bürger an den Großherzog mit dem Ansinnen herangetreten, alles zu tun, um das parlamentarische System zu verhindern. Kurz vor seiner Abdankung bemerkte Wilhelm Ernst: „Ich hatte alles getan, was ich konnte. Ich hatte noch viel Gutes vor.“ Wilhelm Ernst zieht nun auf seinen Privatbesitz nach Schloss Heinrichau in Schlesien. Sein Widersacher August Baudert wird daraufhin zum neuen Staatskommissar ernannt. Der Sohn eines Webermeisters, der eine Lehre zum Strumpfwirker absolvierte und in seiner Wanderschaft viele Länder Europas bereiste, gründete 1891 den Textilarbeiterverband, war 1892 Redakteur der Zeitung "Tribüne" in Erfurt und unterhielt zehn Jahre lang ein Gasthaus unter dem programmatischen Namen "Vorwärts"“, in der ein wesentlicher Teil des Apoldaer Gewerkschaftsleben stattfand und die Arbeiterschaft politische Versammlungen abhielt. Ab 1900 betrieb er dort eine „Central-Bibliothek“ zur Arbeiterbildung. Ab 1902 war er als Schriftsteller tätig. Im Jahre 1905 war er Mitbegründer des Apoldaer Spar- und Bauvereins zur Förderung des Arbeiterwohnungsbaus. 1906 folgte er dem Ruf von Carl Kettel und zog nach Weimar, um dort eine Funktion im Landesvorstand der SPD zu übernehmen. Er ist Initiator für den Bau des Volkshauses in Weimar (1906/08). Baudert trat 1878 in die SPD ein und war von 1891 bis 1906 Mitglied des Gemeinderates in Apolda. Bis 1919 arbeitete er als Parteisekretär für Thüringen von Weimar aus, wo er in den Jahren 1909 bis 1919 auch Gemeinderat war. 1893 kandidierte Baudert das erste Mal für den Reichstag, allerdings war diese Kandidatur erfolglos. Ein Jahr später zog August Baudert in den Landtag von Sachsen-Weimar ein. Nach seiner erfolglosen Kandidatur 1893 zog Baudert schließlich 1898 für den Wahlkreis Sachsen-Weimar 1 in den Reichstag ein und behielt sein Mandat bis 1907. Bei der Reichstagswahl 1907 kandidierte er erneut, allerdings auch dieses Mal erfolglos. Nach der Reichstagswahl 1912 war er bis 1918 wieder Reichstagsabgeordneter. | ||||
| Deutsches Reich / Herzogtum Sachsen-Altenburg Der am Vortag im Herzogtum Sachsen-Altenburg gebildete Soldatenrat wird mit dem Arbeiterrat zusammengeschlossen. Der Vorsitzende des vereinigten Rates ist August Frölich von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Freie und Hansestadt Hamburg In Hamburg wird ein "Großer Arbeiterrat" gegründet. Er besteht aus jeweils drei Vertretern der Linksradikalen, der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD), der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und Gewerkschaften sowie 18 Vertretern von Betrieben. | ||||
| Deutsches Kaiserreich / Deutsches Reich Prinz Max von Baden, eigentlich Maximilian Alexander Wilhelm Friedrich, ab 1907 designierter Nachfolger seines kinderlosen Neffen Friedrich II. von Baden, Präsident der Ersten Badischen Kammer; 1911 Abschied aus dem Militärdienst im Rang des Generalmajors. 1914 wurde Max von Baden bei Kriegsausbruch als Vertreter des Großherzogs im Stab des Generalkommandos des 14. Armeekorps (Baden) reaktiviert; diese Position gab er aus persönlichen wie gesundheitlichen Gründen jedoch bald wieder auf. Anschließend übernahm der Generalmajor den Ehrenvorsitz des badischen Roten Kreuzes und nutzte seine Beziehungen zum schwedischen und russischen Hof für die Durchführung seiner Hilfe für Kriegsgefangene. 1916 wurde ihm das Amt des Ehrenpräsidenten der deutsch-amerikanischen Kriegsgefangenenhilfe des Weltbunds des CVJM übertragen. Nach dem Rücktritt des Reichskanzlers Georg Graf von Hertling trat Max von Baden dessen Nachfolge an; zusätzlich übernahm er das Amt des Ministerpräsidenten. In dieser Position übermittelte er die Bitte nach Waffenstillstand der deutschen OHL an den US-amerikanischen Präsidenten Wilson, setzte die Entlassung Erich Ludendorffs durch und verkündigt nun ohne Ermächtigung dazu die Abdankung des Kaisers. Er benennt Friedrich Ebert von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) zu seinem Nachfolger im Amt des Reichskanzlers und ordnet seinen eigenen Ruhestand an. Philipp Scheidemann (SPD) ruft um 14 Uhr die Republik aus, wenig später tut dies Karl Liebknecht von der Unabhängigen Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (USPD) noch einmal, indem er die "Freie Sozialistische Räterepublik" ausruft. In Berlin beginnt ein Generalstreik. Schließlich erhält die SPD mehr Zustimmung durch die Bildung eines Rates der Volksbeauftragten und erteilt damit der Parole der USPD "Alle Macht den Räten" de facto eine Absage. Allerdings setzt sich die USPD bei der Bildung der vorläufigen Regierung mit der Formulierung durch: "Die politische Gewalt liegt in den Händen der Arbeiter- und Soldatenräte, die zur Vollversammlung aus dem ganzen Reich alsbald zusammengerufen sind." | ||||
| IV. Quartal | ||||
| I. Quartal - II. Quartal - III. Quartal - IV. Quartal | ||||
| 1920 - 1921 - 1922 - 1923 - 1924 - 1925 - 1926 - 1927 - 1928 - 1929 | ||||
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