Olympische Spiele: Unterschied zwischen den Versionen
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* [[Datei:José Benjamin Zubiaur.jpg|thumb|100px|''Zubiaur'']] Der argentinische Pädagoge und Erneuerer des dortigen Schulsystems José Mariano Benjamin Zubiaur wurde am 31. März 1856 in Paraná, Entre Rios in Argentinien geboren. Zubiaur entstammt einer Familie spanischer Basken; sein Großvater verließ im späten 18. Jahrhundert den kleinen Ort Viscaya und siedelte in das spanische Vizekönigreich des Río de la Plata über. Zubiaur gehörte 1889 als Pädagoge zu den Respektspersonen seines Heimatlandes. Im Auftrag des Ministeriums der Justiz, das auch für Kultur und Bildung zuständig war, wurde Zubiaur zum Mitglied einer Delegation berufen, die Argentinien auf der Weltausstellung in Paris vertreten sollte. Zum Zweck des Studiums verschiedener europäischer Schulsysteme jener Zeit ermöglichte man ihm, ein komplettes Jahr in Europa zu bleiben, weshalb er die lange Reise mit seiner gesamten Familie unternahm. Eine seiner Töchter, América, erblickte in Frankreich das Licht der Welt. Bei seiner Teilnahme an diversen Kongressen traf er Pierre de Coubertin. Schnell stellten sie Gemeinsamkeiten fest, insbesondere waren beide vom anglo-amerikanischen Erziehungsprogramm überzeugt, das die körperliche Ertüchtigung durch Sport als wesentlichen Faktor für die charakterliche Bildung ansah. Für Zubiaur war diese Begegnung wegweisend für seine weitere Arbeit in Argentinien. Couberins Pläne für eine Wiederbelebung der Olympischen Spiele waren zu dieser Zeit noch kein ernsthaftes Thema. Nachdem Zubiaur nach Argentinien zurückgekehrt war, nutzte er seine Position zur Einführung des Sportunterrichts an Schulen. Als er 1892 Direktor des Colegio Nacional del Uruguay wurde, also der Schule, an der seine eigene Ausbildung begann, revolutionierte er förmlich die Unterrichtsmethoden. Er förderte die Kunsterziehung, bildete ein Schulorchester, unternahm Exkursionen mit den Studenten, unterstützte studentische Gesellschaften und ließ erstmals in der Geschichte des Landes Frauen zum Studium zu. Er führt das in Argentinien inzwischen bekannt Fußballspiel und Rudern in den Sportunterricht ein und organisierte hierfür Wettkämpfe unter Schulen. | * [[Datei:José Benjamin Zubiaur.jpg|thumb|100px|''Zubiaur'']] Der argentinische Pädagoge und Erneuerer des dortigen Schulsystems José Mariano Benjamin Zubiaur wurde am 31. März 1856 in Paraná, Entre Rios in Argentinien geboren. Zubiaur entstammt einer Familie spanischer Basken; sein Großvater verließ im späten 18. Jahrhundert den kleinen Ort Viscaya und siedelte in das spanische Vizekönigreich des Río de la Plata über. Zubiaur gehörte 1889 als Pädagoge zu den Respektspersonen seines Heimatlandes. Im Auftrag des Ministeriums der Justiz, das auch für Kultur und Bildung zuständig war, wurde Zubiaur zum Mitglied einer Delegation berufen, die Argentinien auf der Weltausstellung in Paris vertreten sollte. Zum Zweck des Studiums verschiedener europäischer Schulsysteme jener Zeit ermöglichte man ihm, ein komplettes Jahr in Europa zu bleiben, weshalb er die lange Reise mit seiner gesamten Familie unternahm. Eine seiner Töchter, América, erblickte in Frankreich das Licht der Welt. Bei seiner Teilnahme an diversen Kongressen traf er Pierre de Coubertin. Schnell stellten sie Gemeinsamkeiten fest, insbesondere waren beide vom anglo-amerikanischen Erziehungsprogramm überzeugt, das die körperliche Ertüchtigung durch Sport als wesentlichen Faktor für die charakterliche Bildung ansah. Für Zubiaur war diese Begegnung wegweisend für seine weitere Arbeit in Argentinien. Couberins Pläne für eine Wiederbelebung der Olympischen Spiele waren zu dieser Zeit noch kein ernsthaftes Thema. Nachdem Zubiaur nach Argentinien zurückgekehrt war, nutzte er seine Position zur Einführung des Sportunterrichts an Schulen. Als er 1892 Direktor des Colegio Nacional del Uruguay wurde, also der Schule, an der seine eigene Ausbildung begann, revolutionierte er förmlich die Unterrichtsmethoden. Er förderte die Kunsterziehung, bildete ein Schulorchester, unternahm Exkursionen mit den Studenten, unterstützte studentische Gesellschaften und ließ erstmals in der Geschichte des Landes Frauen zum Studium zu. Er führt das in Argentinien inzwischen bekannt Fußballspiel und Rudern in den Sportunterricht ein und organisierte hierfür Wettkämpfe unter Schulen. | ||
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+ | Kalliopi Geralopoulou, die Ehefrau des IOC-Präsidenten Dimitrios Vikelas, stirbt nach langer Krankheit. Die ganze Aufmerksamkeit, die Vikelas in den letzten Jahren seiner Frau widmete, setzt er nunmehr in seine neue Aufgabe und hat dabei auch in seinem Heimatland Griechenland mit großen Widerständen zu kämpfen. Die enormen Kosten bedeuten eine enorme Kraftanstrengung für das kleine Land, zeitweise zweifelt die Regierung an, die finanzielle Last von Spielen dieser Dimension tragen zu können. Die Überzeugungsfähigkeit von Vikelas und sein Beharren führen so weit, dass die Entscheidung für oder gegen die Olympischen Spiele zu einer Frage von nationaler Wichtigkeit wird, die sogar mit dazu beitragen wird, eine Regierungskrise in Griechenland auszulösen. <br> | ||
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Version vom 20. Juli 2018, 06:23 Uhr
DIE GESCHICHTE DER OLYMPISCHEN SPIELE DER NEUZEIT
Sitz des Internationalen Olympischen Komitees: Paris (1894-1915), Lausanne (seit 1915)
Home | Baron Pierre de Coubertin, der "Vater" der Olympischen Spiele der Neuzeit | |||
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Vorbemerkung
Eine Olympiade bezeichnet gemeinhin den vierjährigen Zeitraum zwischen zwei Olympischen Spielen. Dem Ursprung nach beginnt sie mit der Eröffnung Olympischer Spiele und endet mit dem Moment, in dem die Folgeolympiade einsetzt. Nach neuzeitlicher Definition beginnt eine Olympiade dagegen bereits mit dem Beginn des Jahres, in dem Olympische Sommerspiele turnusgemäß abgehalten werden, womit sie dann exakt vier Jahre umfasst. Schon in der griechischen Archaik des 6. Jahrhunderts v. Chr., wie teilweise auch heute, wird die Bezeichnung auch für die Olympischen Spiele selbst verwendet.
Antike
Die ersten Olympischen Spiele in Olympia wurden der Überlieferung zufolge im antiken Griechenland im Jahr 776 BC abgehalten. Mit diesem Jahr beginnen die Siegerlisten. Es ist der Ausgangspunkt der klassischen griechischen Zeitrechnung. Die Zählung der Olympiaden wurde aber erst vom Geschichtsschreiber Timaios von Tauromenion eingeführt, der im 4. und 3. Jahrhundert BC lebte. Erst danach begann die Datierung von Ereignissen nach Olympiaden, und die Olympiadenrechnung wurde zur Grundlage der griechischen Chronologie.
Neuzeit
1896 begann die erste Olympiade der Neuzeit in Athen. Das Internationale Olympische Komitee definiert die Olympiade als den Zeitraum von vier Jahren, der jeweils am 1. Januar des Jahres der Sommerspiele beginnt. Die erste Olympiade der Neuzeit begann demnach am 1. Januar 1896, die XXXI. Olympiade der Neuzeit am 1. Januar 2016, im Jahr der Olympischen Sommerspiele 2016, die deshalb offiziell die Spiele (zur Feier) der XXXI. Olympiade heißen. Die Olympiaden werden mit römischen Zahlen nummeriert. Sommerspiele finden in jenen Jahren statt, die durch vier teilbar sind.
Die Zeitrechnung in Olympiaden ist unabhängig davon, ob die Spiele stattfinden oder nicht. Die Olympischen Sommerspiele 1936 waren die Spiele der XI. Olympiade. Nachdem wegen des Zweiten Weltkrieges 1940 und 1944 keine Spiele ausgetragen wurden, wurden die Sportveranstaltungen 1948 mit den Spielen der XIV. Olympiade wieder aufgenommen.
Die Winterspiele werden im Gegensatz zu den Sommerspielen fortlaufend nummeriert. Die IV. Olympischen Winterspiele wurden 1936 ausgetragen, die V. Olympischen Winterspiele aber erst 1948. Seit 1994 finden die Olympischen Winterspiele zudem in jenen geraden Jahren statt, in denen keine Sommerspiele stattfinden. Sie finden seither in der Mitte jeder Olympiade statt.
Französische Republik Der französische Pädagoge, Historiker und Sportfunktionär Pierre de Frédy, Baron de Coubertin, der an der Sorbonne Kunst, Philologie und Rechtswissenschaften studierte und als Pädagoge tätig ist, tritt, beeinflusst durch die archäologischen Ausgrabungen im griechischen Olympia, für eine Wiederbelebung der Olympischen Spiele ein, mit welchen er nationale Egoismen überwinden und zum Frieden und zur internationalen Verständigung beitragen will. Der Grenzen überwindende Fortschritt im gesellschaftlichen Bereich soll durch ein sportliches Rekordstreben nach dem Motto „Citius, altius, fortius“ (lateinisch für "schneller, höher, stärker") symbolisiert werden. Nach Coubertins olympischem Idealbild sollen nur erwachsene, männliche Einzelkämpfer teilnehmen, ähnlich dem antiken Vorbild. Frauen sollen von der Teilnahme an den Spielen ausgeschlossen sein. | |
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland Der Geistliche der Anglikanischen Kirche Astley Cooper fordert in der imperialen Zeitung Greater Britain (London) regelmäßig wiederkehrende sportliche Wettkämpfe für das gesamte Britische Empire durchzuführen, eingebettet in Empire-Ausstellungen. Auch sollen hiermit Stipendien für besonders begabte Personen aus dem Empire verbunden sein. Aus der öffentlichen Diskussion in den führenden englischen Zeitungen entsteht die Vorstellung, alle vier Jahre Pan-Britannische Olympische Spiele durchzuführen. Den Begriff der Olympischen Spiele bringt der Historiker James Anthony Froude in diesem Zusammenhang in die Diskussion, der hiermit an die klassische Bildungstradition anknüpfen und vor allem die Studenten ansprechen will. | |
Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland / Französische Republik Da Pierre de Coubertin, als Verantwortlicher des französischen Universitätssports, fürchten muss, mit seinen französischen Sportlern von dem vor drei Jahren von Astley Cooper in London postulierten Ereignis von Pan-Britannischen Olympischen Spielen ausgeschlossen zu sein, setzt er die weltweiten Olympischen Spiele dagegen. Da Astley Cooper nicht aus der Sportbewegung kommt, ist ihm die Begrenzung der Teilnahme auf Amateure auch nicht wichtig. Coubertin, der in diesem Monat seine Einladungen für einen Sportkongress in Paris versendet, verbindet aber seine Spiele mit den Amateursportverbänden. Durch die Verbreitung der Astley-Cooper–Komitees werden die Olympischen Spiele von Beginn an Teilnehmer aus Australien begrüßen. Der Panhellenische Gymnastclub dagegen zeigt wenig Interesse, Abgeordnete zu einem Sportkongress nach Paris zu entsenden. | |
Französische Republik An der Sorbonne in Paris beginnt ein internationaler Sportkongress, der später als Erster Olympischer Kongress bezeichnet werden wird, bei dem sich eine von Baron Pierre de Coubertin gebildete Kommission mit der Wiederaufnahme der Olympischen Spiele beschäftigt. Der durch seine Studien von der erzieherischen und sozialisierenden Wirkung des Sports überzeugte Pädagoge de Coubertin sieht in der Wiederbelebung der Olympischen Spiele der Antike eine Chance, die Völker und Nationen der Welt einander näherzubringen, um nationale Egoismen zu überwinden und zum Frieden und zur internationalen Verständigung beizutragen. Die mit zunehmender Technik immer stärkere Internationalisierung der Gesellschaft jener Zeit bekräftigt sein Vorhaben. In der Zusammensetzung seiner Kommission orientiert sich Coubertin am Jockey Club in England (Newmarket), da dieser Verein alle Krisen überstanden hat, immer wichtiger geworden ist und an den Schichten orientiert war, die Coubertin bevorzugt. Etwa die Hälfte der Mitglieder des zu gründenden Komitees sollen aus der Sportbewegung kommen, die andere Hälfte herausragende Persönlichkeiten mit Sportinteresse sein. Der Kongress findet daher auch in der Woche des Derby von Frankreich statt, da zu diesem Termin ohnehin viele Sportfans von Adel in Paris weilen. | |
Olympische Spiele / Französische Republik Es bleibt Coubertin überlassen, den auf dem Pariser Kongress gefassten Beschluss zur Gründung eines Komitees umzusetzen. Baron de Coubertin ist daran gelegen, ein hohes Interesse für die Olympischen Spiele zu wecken, um ihnen den Nimbus von Größe und Ruhm verleihen zu können, wie Coubertin es selbst formuliert. Die ersten Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees sollen deshalb möglichst aus allen Teilen der Welt kommen und dort aufgrund ihres Ansehens und ihrer Beziehungen die Olympische Idee verbreiten. Die Gründungsmitglieder wird Coubertin persönlich berufen und im kommenden Monat bekanntgeben. | |
Französische Republik Der französische Baron Pierre de Coubertin gibt die Namen der 13 Mitglieder des im Vormonat in Paris gegründeten Comité International Olympique (CIO) (Internationales Olympisches Komitee IOC) bekannt:
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|| Olympische Spiele / Französische Republik / Königreich Griechenland
Kalliopi Geralopoulou, die Ehefrau des IOC-Präsidenten Dimitrios Vikelas, stirbt nach langer Krankheit. Die ganze Aufmerksamkeit, die Vikelas in den letzten Jahren seiner Frau widmete, setzt er nunmehr in seine neue Aufgabe und hat dabei auch in seinem Heimatland Griechenland mit großen Widerständen zu kämpfen. Die enormen Kosten bedeuten eine enorme Kraftanstrengung für das kleine Land, zeitweise zweifelt die Regierung an, die finanzielle Last von Spielen dieser Dimension tragen zu können. Die Überzeugungsfähigkeit von Vikelas und sein Beharren führen so weit, dass die Entscheidung für oder gegen die Olympischen Spiele zu einer Frage von nationaler Wichtigkeit wird, die sogar mit dazu beitragen wird, eine Regierungskrise in Griechenland auszulösen.
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|| Olympische Spiele / Französische Republik / Königreich Griechenland
Nachdem die amtierende Regierung in Griechenland zurücktrat, wird der Weg frei für die Befürworter der Austragung der Olympischen Spiele im Mutterland der Spiele. Die Organisation und Durchführung der Olympischen Spiele 1896 überlässt Vikelas einem eigens hierfür eingerichteten Komitee.
Olympiade | Jahr | Austragungsort | Nationen | Teilnehmer | Sportarten | Anmerkungen | ||
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Athen | Erste Olympische Spiele der Neuzeit. Wettbewerbe im Fechten, Gewichtheben, Leichtathletik, Radsport, Ringen, Schießen, Schwimmen, Tennis und Turnen. Die Ruder- und Segelwettbewerbe fielen wetterbedingt aus. | |||||||
Paris | Erstmals mit Frauen in zwei Sportarten (Golf, damals olympisch, und Tennis). Viele für heute exotische Wettbewerbe in den Sportarten wie Cricket oder Pelota im olympischen und Ballonfahren oder Jeu de Paume im nichtolympischen Programm. | |||||||
St. Louis | Letztmals mit gemischten Nationalmannschaften, zum Beispiel im Fechten. | |||||||
Athen | Jubiläumsspiele (10 Jahre), werden vom IOC nicht als Olympische Spiele anerkannt, gelten aber als inoffizielle Zwischenspiele. | |||||||
London | Zum ersten Mal Wettbewerbe im Eiskunstlauf. | |||||||
wird fortgesetzt |
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