Chronik 04.1871

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DIE EREIGNISSE IM APRIL 1871



DIE SCHLAGZEILEN DES MONATS


Beginn der "Gründerjahre" im Deutschen Reich

Bisher 8000 Opfer der Gelbfieber-Epidemie in Buenos Aires

Der erste Kühlschrank wird von Carl Linde entwickelt

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Strecke des legendären Boat Race auf der Themse
Die wichtigsten Persönlichkeiten des Monats
(nach Geburtsjahr geordnet)
Jahres-Chroniken
Länderchroniken
Die wichtigsten Herrscher und Regierenden des Monats
Nation Name Regierungszeit
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Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland
Königin Victoria
Premierminister William Ewart Gladstone
20.06.1837-22.01.1901
03.12.1868-20.02.1874
Vatikan 1870-1929.gif
Kirchenstaat
Papst Pius IX.
Kardinalstaatssekretär Iacobus Cardinale Antonelli
16.06.1846-07.02.1878
12.04.1850-06.11.1876
(secundum mandatum)
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Österreichisch-Ungarische Monarchie
Kaiser Franz Joseph I.
Amtierender Präsident des Ministerrates Karl Sigmund Graf Hohenwart
02.12.1848-21.11.1916
06.02.1871-30.10.1871
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Russisches Kaiserreich
Zar Alexander II. "Osvoboditeli" ("der Befreier")
Vorsitzender des Ministerrates Pawel Pawlowitsch Gagarin
02.03.1855-13.03.1881
02.03.1864-04.03.1872
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Vereinigte Staaten von Amerika
Präsident Ulysses Simpson Grant
Vizepräsident Schuyler Colfax
04.03.1869-04.03.1877
04.03.1869-04.03.1873
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Deutsches Kaiserreich
Kaiser Wilhelm I.
Reichskanzler Otto Fürst von Bismarck
(1861) 18.01.1871-09.03.1888
(1862) 21.03.1871-20.03.1890
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Französische Republik
Präsident Marie Joseph Louis Adolphe Thiers
17.02.1871-24.05.1873
Ereignis
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Ereignis
Fortlaufende Ereignisse
  • Besetzung Paraguays durch Argentinien und Brasilien (seit 01.01.1869)
  • Gelbfieber-Epidemie in Buenos Aires (seit 26. Januar 1871)
  • Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zwischen Frankreich und Deutschland (seit Ende Januar 1871)
  • Unruhen in "La commune de Paris" (Pariser Kommune) (seit 18. März 1871)
01.04.1871
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Vereinigtes Königreich Großbritannien und Irland

Cambridge gewinnt das traditionelle Boat Race gegen Oxford in 23 Minuten und 1 Sekunde. Das "Boat Race" wird seit 1829 jährlich auf der Themse in London zwischen den beiden renommierten englischen Universitäten Oxford und Cambridge von den beiden stärksten Männer-Achtern der Universitäten ausgetragen. Die Strecke führt von Putney flussaufwärts nach Mortlake; sie ist 4 Meilen und 374 Yards (6779 m) lang. Start- und Zielpunkt werden durch die University Boat Race Stones am rechten Flussufer markiert. Der Start befindet sich 129 m flussaufwärts der Putney Bridge, das Ziel 112 m flussabwärts der Chiswick Bridge. Eine bekannte Wegmarke dabei ist Chiswick Eyot. Die Themse wird in diesem Abschnitt noch von den Gezeiten der Nordsee beeinflusst. Der Start erfolgt während der Flut, so dass die Boote mit der Strömung fahren; entsprechend wird versucht, im Stromstrich zu fahren.

April 1871
Genaues Datum nicht bekannt
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Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen

Beginn einer wirtschaftlichen Blütezeit: Die "Gründerjahre". Nach dem gewonnenen Krieg der deutschen Staaten gegen Frankreich, in dessen Gefolge massenhaft französisches Kapital vor allem aus Reparationen ins Land strömt, gipfelt der wirtschaftliche Aufschwung dieser Periode in einem vorher nicht gekannten Boom. Die Gründerzeit ist die Periode in Mitteleuropa, in der das Bürgertum die kulturelle Führung übernimmt – daher ist sie auch die große Zeit des klassischen Liberalismus, auch wenn dessen politische Forderungen nur teilweise und relativ am Ende dieses Zeitraumes umgesetzt werden.

Carl Paul Gottfried Linde
Der deutsche Ingenieur, Erfinder und Firmengründer Carl Paul Gottfried Linde veröffentlicht einen Aufsatz über verbesserte Kältetechnikverfahren. Viele Brauereien interessieren sich für solche Maschinen und bitten Linde darum, sie so schnell wie möglich zur beliefern. In der Münchner Spaten-Brauerei wird versuchsweise eine Kältemaschine nach Carl von Lindes Ideen installiert, an der der Ingenieur monatelang experimentiert und wesentliche Grundlagen der modernen Kältetechnik schafft, indem er eine mit Methyläther (Dimethylether) arbeitende Kältemaschine, die er in der Maschinenfabrik Augsburg (MAN) herstellen lässt, schafft. Alsbald schließt er mit verschiedenen Brauereien eine Vereinbarung und plant die Anmeldung eines Patentes.
Hermann Helmholtz, der "Reichskanzler der Physik
Der Professor für experimentelle Physik an der Berliner Universität Hermann Helmholtz, im Volksmund auch der „Reichskanzler der Physik“ genannt, wird zum ordentlichen Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften ernannt.

Die Bauarbeiten für die Errichtung der Kaiserpassage in der Friedrichstraße in Berlin-Mitte beginnen. Dies wurde bereits im Vorjahr, am 13. April 1870, durch einen "Allerhöchsten Erlass" des damaligen Königs von Preußen und heutigen Kaisers des Deutschen Reiches, Wilhelm I., verfügt.
Sehr spät im Vergleich zu anderen Städten entsteht in Greifswald eine unabhängige jüdische Gemeinde mit etwa 100 Mitgliedern, die von der Stralsunder Gemeinde abgetrennt wird.

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Deutsches Kaiserreich / Königreich Sachsen

Die erste deutsche Freiwillige Feuerwehr, das "Freiwillige Lösch- und Rettungs-Corps" Meißen, wird gegründet.

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Vereinigte Staaten von Amerika / Washington, D.C.

Der in San Francisco in Kalifornien geborene Republikaner Norton P. Chipman gewinnt mit 15.196 Stimmen gegen seinen demokratischen Kontrahenten Merrick mit 11.104 Stimmen die Wahl zum Vertreter des Bundesbezirks District of Columbia. Nach einem Jurastudium in Cincinnati und seiner Zulassung als Rechtsanwalt begann er in Washington (Iowa) in diesem Beruf zu arbeiten. Während des Bürgerkrieges diente er als Offizier im Heer der Union. Dabei stieg er bis zum Brigadegeneral auf. Zwischenzeitlich wurde er schwer verwundet. Er wurde am Ende seiner militärischen Laufbahn zur juristischen Abteilung der Armee versetzt. In dieser Eigenschaft vertrat er als Militärstaatsanwalt die Anklage gegen Henry Wirz, den konföderierten Kommandeur des berüchtigten Kriegsgefangenenlagers Andersonville, in dem etwa 13.000 Unionssoldaten umkamen. Nach dem Krieg ließ sich Chipman zunächst in der Bundeshauptstadt Washington, D.C., nieder. Politisch ist er Mitglied der Republikanischen Partei. Er ist Mitgründer der Veteranen Organisation "Grand Army of the Republic". Jetzt wird Chipman als nicht stimmberechtigter Kongressdelegierter für den Bundesbezirk District of Columbia in das US-Repräsentantenhaus gewählt, wo er am 21. April 1871 sein neues Mandat antreten wird. Die Position des Kongressdelegierten für die Bundeshauptstadt ist kürzlich neu geschaffen worden.

02.04.1871
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Französische Republik

Die Regierung in Versailles beginnt mit militärischen Angriffen auf das von der „Kommune“ beherrschte Paris, die sich bald zu einer Belagerung entwickeln. Zunächst gelingt es der durch den Krieg geschwächten französischen Armee nicht, sich gegen die Kommunarden durchzusetzen. Nachdem die Regierung die auch in der Provinz vereinzelt aufflammenden Aufstände mit Hilfe deutscher Unterstützung durch Waffenlieferungen und Freilassung der Kriegsgefangenen niedergeschlagen hat, gehen die regulären französischen Truppen immer effektiver gegen die militärisch eher unorganisierten Kommunarden vor.

03.04.1871
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Deutsches Kaiserreich / Großherzogtum Baden

In Karlsruhe nimmt Großherzog Friedrich eine Parade des 2. Badischen Grenadier-Regiments ab.

04.04.1871
Argentinien 1818-2010.gif
Argentinische Republik

Die Gelbfieber-Epidemie in Buenos Aires fordert inzwischen 400 Menschenleben pro Tag. Der Verwalter eines Friedhofs gibt bekannt, dass 630 Menschen noch bestattet werden müssten, dies aber schwierig sei, da zwölf seiner Totengräber gestorben seien.

07.04.1871
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Admiral Wilhelm von Tegetthoff
Österreichisch-Ungarische Monarchie

Der Admiral der österreich-ungarischen Kriegsmarine Wilhelm von Tegetthoff (* 23.12.1827 in Marburg an der Drau, Untersteiermark) stirbt an einer Lungenentzündung in Triest. Wilhelm von Tegetthoff wurde 1827 als Sohn eines k.k.Oberstleutnants geboren. Die Familie Tegetthoff war im 18. Jahrhundert von Maria Theresia geadelt worden, deren Initialen sie auch im Wappen führen. Mütterlicherseits war er mit dem Bürgermeister von Wien, Baron Seiller verwandt. Tegetthoff hätte, wäre es nach seinen Eltern gegangen, einen Zivilberuf ergriffen, es zog ihn jedoch zur See und sein Vater ließ ihn gewähren. So besuchte er von 1840 bis 1845 das österreichische Marinekollegium in Venedig und wurde dort als Marinekadett ausgemustert. Am 23. Juli 1845 ging er als Marinekadett erstmals im regulären Dienst an Bord eines Schiffes. Die Wirren der Zeit um 1848 förderten eine schnelle Karriere. Zum Seeoffizier ernannt, machte er während der Jahre 1848 und 1849 die Blockade von Venedig mit und wurde danach bei vielen Fahrten und entfernten Expeditionen der kaiserlichen Marine verwendet, sowohl im Mittelmeer, als auch nach der Levante und den sogenannten Barbareskenstaaten. Ebenso nahm er an der Seereise teil, welche Kaiser Maximilian von Mexiko seinerzeit nach Brasilien unternommen hatte. 1854 wurde Tegetthoff zum Kommandanten des Kriegsschoners „Elisabeth“ berufen. Zu dieser Zeit wurden die Schiffe, auch die Kriegsmarine intensiv auf die Dampfkraft umgerüstet. 1855 erhielt er das Kommando über einen Raddampfer, die „Taurus“, die ihr Einsatzgebiet im Donaudelta hatte. Dort fiel der junge Seeoffizier durch hervorragende Leistungen auch im diplomatischen und organisatorischen Bereich auf. Die weitere Karriere ging sehr schnell voran – bereits 1861 wurde Tegetthoff zum Linienschiffskapitän (entspricht in der Deutschen Marine einem Kapitän zur See, im Heer einem Oberst) befördert. Damit verbunden war das Kommando der österreichischen Flottenabteilung in der Levante. Im deutsch-dänischen Krieg kämpfte er auf der Seite der österreichisch-preußischen Allianz gegen Dänemark. Das Seegefecht vor Helgoland (9. Mai 1864) gegen die Dänen wurde von den Österreichern trotz erheblicher Verluste als Sieg betrachtet. Damit war der Weg frei zur nächsten Beförderung – der erst 37-jährige Offizier wurde zum Contreadmiral befördert und neuer Oberbefehlshaber der österreichischen Flotte, die er anschließend einer gründlichen Neuorganisation und Umstrukturierung unterzog. Der entscheidende Moment der Seeschlacht bei Lissa 1866: SMS Erzherzog Ferdinand Max rammt das gegnerische Flaggschiff Re d'Italia, das kurz darauf sinkt (reproduziert nach dem Gemälde von Kappler)Sein Sieg in der Seeschlacht von Lissa am 20. Juli 1866 gegen die italienische Flotte machte ihn zu einem Seehelden. Für seine Rammtaktik gegen die überlegene italienische Flotte erhielt er das Kommandeurkreuz des Militär-Maria-Theresien-Ordens und wurde zum Viceadmiral befördert. 1866 bis 1867 führten ihn Studienreisen nach Frankreich, Großbritannien und in die USA. 1868 wurde er k.u.k. Admiral und Chef der Marinesektion im Kriegsministerium. Er reorganisierte in kurzer Zeit, gegen die Widerstände des Generalstabs, die österreichische Kriegsmarine. Seine Innovationen blieben bis zum Untergang der k.u.k.-Kriegsstreitmacht in Kraft.

09.04.1871
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Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen

Der deutsche Dramaturg, Theaterkritiker und Ästhetiker Heinrich Theodor Rötscher stirbt in Berlin. Er verfasste die „Abhandlungen zur Philosophie der Kunst“ und „Die Kunst der dramatischen Darstellung“, die auch „Bibel der Schauspieler“ genannt wurde.

Argentinien 1818-2010.gif
Argentinische Republik

Buenos Aires meldet 500 Gelbfieber-Tote. Damit hat die Epidemie ihr schlimmstes Ausmaß erreicht.

10.04.1871
Argentinien 1818-2010.gif
Argentinische Republik

Buenos Aires meldet mit 583 Gelbfieber-Toten einen neuen Höchststand. Vor der Epidemie lag der tägliche Durchschnitt an Todesfällen in Buenos Aires bei 20 Personen. Die Stadtverwaltung beschließt, die letzten Bediensteten in den Urlaub zu schicken, was de facto bereits geschehen ist, da kaum noch jemand zum Dienst erscheint. Die ersten Winterfröste beginnen.

11.04.1871
Argentinien 1818-2010.gif
Argentinische Republik

Buenos Aires meldet erneut 500 Gelbfieber-Tote. Die Bahnstrecke der Ferrocarril Oeste de Buenos Aires wird entlang der Avenida Corrientes bis zum Friedhof verlängert und trägt seither im Volksmund den Namen „Zug des Todes“.

13.04.1871
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Französische Republik

Eine Gruppe Kommunarden verschaffen sich gegen 2200 Uhr mit Waffengewalt Zutritt zum Diakonissenhaus in Paris. Sie nehmen die einfachen Diakonissen beiseite und unterziehen sie einem Verhör. Sie sollen Antwort auf die Frage geben, ob sie von verantwortlichen Schwestern geschlagen oder missbraucht wurden. Keine der Diakonissen spricht schlecht über die leitenden Schwestern. Gegen 0300 Uhr geben die Kommunarden auf und verlassen das Diakonissenhaus wieder. Es gibt keine Verletzten.

14.04.1871
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Deutsches Kaiserreich

Der Reichstag verabschiedet die Verfassung des Deutschen Reichs mit nur sieben Gegenstimmen. Sie soll am 4. Mai in Kraft treten und die sogenannten "Novemberverträge" (die Verfassung des Deutschen Bundes), die im Volksmund "Bismarck'sche Reichsverfassung" genannt wird.

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Französische Republik / Départements d'Algerie

In der Kabylei in Französisch-Algerien bricht ein Aufstand gegen die französische Siedlungspolitik aus.

16.04.1871
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Deutsches Kaiserreich / Königreich Bayern

Die "Bismarck‘sche Reichsverfassung" wird als Gesetz verabschiedet und zur Rechtsgrundlage für das deutsche Kaiserreich. Es ist bereits die dritte Verfassung des gemeinsamen deutschen Staates. Sie geht ursprünglich als Verfassung des Deutschen Bundes vom 1. Januar 1871 in revidierter Fassung aus der 1867 ausgearbeiteten Norddeutschen Bundesverfassung hervor. Ihre amtliche Überschrift lautet nun Verfassung des Deutschen Reichs (RV 1871). Hierdurch wird nun auch das "Allgemeine Deutsche Handelsgesetzbuch" zum Reichsrecht, welches jedoch nicht in Bayern gilt, da das Königreich ein eigenes Gesetz verabschieden will. Im Bundesrat, dem höchsten Staatsorgan des Deutschen Reiches, sind die Bundesstaaten vertreten. Das Präsidium des Bundes hat der König von Preußen inne, der den Titel ‚Deutscher Kaiser‘ trägt. Der Kaiser setzt den Reichskanzler ein, der den Vorsitz im Bundesrat führt, seine Geschäfte leitet und einziger verantwortlicher Reichsminister ist. Der Kanzler wird damit zu einer der maßgeblichen Instanzen des politischen Systems sowohl hinter den Kulissen als auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Reichsgesetze brauchen die Zustimmung zweier Organe, nämlich des Bundesrats und zusätzlich des Reichstags. Der Reichstag soll zunächst alle drei Jahre gewählt werden, nach allgemeinem Wahlrecht für Männer. Der Bundesrat ist kein Fürstenrat, sondern das Staatenhaus des Reichs, das die Interessen der Bundesstaaten in die Ausübung der Hoheitsgewalt des Reiches einbringen kann. Er wird wie eine zweite Kammer an der Gesetzgebung beteiligt, an Regierungsaufgaben und an der Rechtsprechung. Der Bundesrat wirkt an der Gesetzgebung gleichberechtigt mit dem Reichstag mit. Er hat ein Gesetzesinitiativrecht, und jedes Gesetz braucht die Zustimmung des Bundesrates; er hat also ein echtes Vetorecht. Der Bundesrat kann die zur Ausführung von Reichsgesetzen erforderlichen allgemeinen Verwaltungsvorschriften erlassen und Organisationsentscheidungen über die Verwaltungsbehörden treffen Im Rahmen der Reichsaufsicht über Materien einheitlicher Lebens- und Wirtschaftsverhältnisse im ganzen Reich kann der Bundesrat Mängel in der Verwaltung der einzelnen Bundesstaaten feststellen. Darüber hinaus kann der Bundesrat wie ein Staatsgerichtshof öffentlich rechtliche Streitigkeiten zwischen den Bundesstaaten entscheiden, ebenso Verfassungsstreitigkeiten in Bundesstaaten, die keinen eigenen Staatsgerichtshof hatten. Um seine umfangreichen Aufgaben erfüllen zu können, bildet der Bundesrat aus seinen Mitgliedern Ausschüsse, denen die notwendigen Beamten zur Verfügung gestellt werden müssen. Die Verfassung schreibt folgende Stimmverteilung im Bundesrat vor:

Bundesstaat Stimmen im Bundesrat
Königreich Preußen 17 Stimmen
Königreich Bayern 6 Stimmen
Königreich Sachsen 4 Stimmen
Königreich Württemberg 4 Stimmen
Großherzogtum Baden 3 Stimmen
Großherzogtum Hessen 3 Stimmen
Großherzogtum Mecklenburg-Schwerin 2 Stimmen
Herzogtum Braunschweig 2 Stimmen
Herzogtum Sachsen-Weimar 1 Stimme
Großherzogtum Mecklenburg Strelitz 1 Stimme
Großherzogtum Oldenburg 1 Stimme
Herzogtum Sachsen-Meinigen 1 Stimme
Herzogtum Sachsen-Altenburg 1 Stimme
Herzogtum Sachsen-Coburg-Gotha 1 Stimme
Herzogtum Anhalt 1 Stimme
Fürstentum Schwarzburg-Rudolstadt 1 Stimme
Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen 1 Stimme
Fürstentum Waldeck 1 Stimme
Fürstentum Reuß ältere Linie 1 Stimme
Fürstentum Reuß jüngere Linie 1 Stimme
Fürstentum Schaumburg-Lippe 1 Stimme
Fürstentum Lippe 1 Stimme
Freie und Hansestadt Lübeck 1 Stimme
Freie Hansestadt Bremen 1 Stimme
Freie und Hansestadt Hamburg 1 Stimme
Gesamt 58 Stimmen

Ein Bundesstaat, der seine Stimme abgeben will, muss wenigstens einen Bevollmächtigten bestellen, der nicht Regierungsmitglied sein muss. Jeder Bundesstaat kann aber so viele Bevollmächtigte ernennen, wie er Stimmen hat. Die Stimmen eines Gliedstaates kann nur einheitlich abgegeben werden. Die Bevollmächtigten sind an Weisungen ihrer Bundesstaaten gebunden, anders als die Reichstagsabgeordneten, die an Aufträge und Instruktionen nicht gebunden sind. Der Bundesrat entscheidet regelmäßig mit einfacher Mehrheit. Verfassungsänderungen können gegen den Willen Preußens nicht zustande kommen, denn 14 Gegenstimmen genügen zur Ablehnung einer Verfassungsänderung, aber Preußen hat 17 Stimmen. Die Stimmen Preußens werden verkürzt als Präsidialstimme bezeichnet; eine achtzehnte Stimme hat Preußen nicht. Bei Gesetzesvorlagen zum Militär- und Marinewesen und zum Zollwesen und zu Verbrauchsteuern und bei den dazugehörigen Verwaltungsvorschriften und Organisationsentscheidungen kann der Reichskanzler mit den Stimmen Preußens die Vorlage bei Stimmengleichheit zur Ablehnung bringen.

17.04.1871
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Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen

Im Roten Rathaus gibt der Berliner Magistrat einen Empfang für die Mitglieder des ersten Deutschen Reichstages in Anwesenheit des Kaisers Wilhelm I., der Kaiserin Augusta und des Reichskanzlers Otto Fürst von Bismarck.

20.04.1871
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Deutsches Kaiserreich

Die Vertreter der Länder des Deutschen Reiches treffen zum ersten Mal zu einer Fahrplankonferenz der deutschen Eisenbahnen zusammen.

22.04.1871
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Deutsches Kaiserreich

Die Abgeordneten des Deutschen Reichstages beschließen die rechtliche Gleichstellung der Juden in Deutschland. Einer Schätzung zufolge leben im Gebiet des neugegründeten Deutschen Kaiserreiches 512.000 Menschen jüdischen Glaubens. Bei der letzten Schätzung im Jahre 1820 waren es noch 220.000 Menschen. Die neue Reichsverfassung wird ihnen die volle Gleichberechtigung zugestehen. August Rohling, Priester und Professor der katholischen Theologie in Münster, wird schlagartig bekannt, nachdem er die antisemitische Schrift "Der Talmudjude" veröffentlichte. Sie enthält aus dem Zusammenhang gerissene Talmud-Zitate, die Rohling negativ interpretiert. Damit versucht er auf theologischem Wege gegen die sogenannte „jüdische Rasse“ vorzugehen. Er stützt sich dabei im Wesentlichen auf das Werk von J. A. Eisenmenger „Entdecktes Judenthum Oder Gründlicher und Wahrhaffter Bericht, welchergestalt die verstockten Juden die Hochheilige Drey-Einigkeit lästern und verunehren“. Eine weitere Quelle Rohlings ist der jüdische Konvertit Aron Israel Brimann (Pseudonym Dr. Justus), der sich bereits durch antisemitische Hetzschriften hervorgetan hat. "Der Talmudjude" hat eine weitreichende Wirkung. Rohling zufolge gebiete die jüdische Religion ihren Anhängern, wann immer möglich Christen zu schädigen und zu töten – so verteidigt Rohling auch die mittelalterliche Ritualmordlegende. "Der Talmudjude" wird 17 Auflagen erleben. Rohling beweist mit teilweise gefälschten Auszügen, dass der Talmud erlaube, ... alle Nichtjuden auf jede Weise auszubeuten, sie physisch und moralisch zu vernichten, Leben, Ehre und Eigenthum derselben zu verderben, offen und mit Gewalt, heimlich und meuchlings; – das darf, ja soll, wenn er kann, der Jude von Religions wegen befolgen, damit er sein Volk zur irdischen Weltherrschaft bringe.

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Deutsches Kaiserreich / Königreich Bayern

Sechs Tage nach der Veröffentlichung des "Allgemeinen Deutschen Handelsgesetzbuches" für das Deutsche Kaiserreich verabschiedet das Parlament von Bayern ein eigenes, entsprechendes Gesetz.

23.04.1871
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Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen

Der Generaldirektor der königlichen Museen Ignatz Franz Werner Maria von Olfers stirbt in Berlin. Er hatte unter anderem Anteil am Erfolg der wissenschaftlichen Expedition, die Prof. Karl Richard Lepsius von 1842 bis 1845 nach Ägypten und Nubien führte.

26.04.1871
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Deutsches Kaiserreich / Königreich Preußen

In Berlin erscheint die letzte Ausgabe des Organs des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins „Social-Demokrat“.

30.04.1871
Argentinien 1818-2010.gif
Argentinische Republik

Die Bilanz der Opfer der Gelbfieber-Epidemie in Buenos Aires beträgt bislang 8000 Tote. Die tägliche Todesrate ist inzwischen rückläufig.

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