29.03.2022 - Zappen durch das osteuropäische Fernsehen

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GESCHICHTE TAG FÜR TAG

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29.03.2022 - Zappen durch das osteuropäische Fernsehen

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Ein Gruß aus der Pandemie an die Firma

Liebes Kollegium,

danke für manche Genesungswünsche. Sie werden gerade umgesetzt. Corona funktioniert so komplex, dass ich gar nicht sagen kann, welches Symptom gerade am meisten nervt. Jedes einzelne davon ist gar nicht so schlimm, die Menge allerdings ist etwas heftig. Nichtsdestotrotz bleibt es dabei, dass ich hoffe, bald wieder an Deck zu sein, bis 4. April bin ich allerdings noch dienstunfähig; meine Hausärztin, hat mir geraten, ruhig zu bleiben und die vollständige Genesung abzuwarten, die sicher kommen wird.

Zurzeit füge Ich mich noch in mein Schicksal und habe fast alle Folgen von "Diener des Volkes" (zu sehen bei arte mediathek, noch bis 31. März) durch, in dem Selenskyi den zufällig gewählten Präsidenten der Ukraine spielt. Wer wie ich die Ukraine sehr gut kennt, kann wahrscheinlich hier sehr viel mehr sehen als jemand, der das Land noch auf der Landkarte suchen muss. Und man kann spielend seine Russischkenntnisse verbessern, denn diese Serie wurde nicht auf Ukrainisch, sondern auf Russisch gedreht, was Putin total geärgert haben muss, wenn es z.B. heißt: "Du kannst dann Botschafter in Russland werden!" und der Angesprochene antwortet: "Was? Ich will einen Posten, nicht ins Exil!"

Die letzten Tage habe ich mich im osteuropäischen Fernsehen herumgetrieben und habe lettisches und polnisches Fernsehen geschaut. Es gibt dort kaum noch Soaps, wo ein "Übersetzer" alle Stimmen gleichzeitig draufquatscht, sondern es finden eine Menge "Benefiz-Konzerte für die Ukraine" statt, die auch - Dank Elon Musk - in die Ukraine und nach Russland bis an den Pazifik übertragen werden. Die Konzerte sind von spontan bis professionell, aber alle erzeugen eine Stimmung, dass sich diese Länder auf den Krieg vorbereiten. Die Völker werden ausnahmslos eingestimmt auf Kampf und Verteidigung. Auch Kinder spielen eine große Rolle. Die Menschen sind verzweifelt, ich denke, das gilt auch für die 30 Prozent der russischen Bevölkerung, die nicht für Putin ist. Es ist sozusagen ein Eingeständnis in die Situation: Wir haben nur wenig Chancen gegen Russland, aber wenn sie kommen, lernen sie uns kennen, wir geben niemals auf. Das schaffen sie ohne Einpeitscher wie weiland Goebbels, und sie zitieren Prosa über den Krieg durch professionelle Schauspieler. Es ist reine Verzweiflung, aber dennoch Kunst. Sie reden und singen und weinen dabei, wenn sie sprechen: "Lass mich am Ufer des Flusses begraben sein, der mit dem Blut unserer Angreifer ins Schwarze Meer fließt" und die Menschen klatschen und weinen dazu. Es sind unglaubliche Szenen. Auch ich bleibe davon nicht unberührt, niemand, der es anschaut, kann sich entziehen.

Was diese Künstler wohl heute tun würden, wenn es keinen Krieg gegeben hätte? "Atemlos durch die Nacht" singen? Unvorstellbar ...

Ich gehe wieder auf Tauchstation. Ich wäre gerne gesund. Wünsche Euch allen Frieden und Gesundheit. Slava Ukraini. Euer Hellmut

Der Text darf unter Nennung der www-Seite und des Namens des Autors "Hellmut Hentschel" weiter veröffentlicht werden.
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